Aus den Kieler Nachrichten vom 29.04.2010:
Kiel.
Wolfgang Schwenke (42), Geschäftsführer des
Fußball-Drittligisten Holstein Kiel, fiebert dem
Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League
zwischen dem THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen am Sonntag (17.15 Uhr, Eurosport)
aus besonderen Gründen entgegen. "
Wolle" trug 13 Jahre
lang das Trikot der "Zebras", wurde fünfmal deutscher Meister. Als Trainer übernahm
er im September 2008 für neun Monate die Löwen, führte sie ins
Champions-League-Halbfinale gegen Kiel und in der Liga vom
neunten auf den dritten Platz. Für unsere Zeitung nahm er die Teams unter die Lupe.
Fazit: Kiel gewinnt.
Torhüter
Die Löwen
Fritz und Szmal
sind ein hervorragendes Gespann. Sie harmonieren gut,
ersetzen sich gegenseitig, wenn es bei dem anderen nicht
so gut läuft. Aber
Omeyer ist
im Moment eine andere Liga, seine Konstanz unglaublich.
Im
Hinspiel war er überragend,
der brennt richtig auf das Heimspiel.
Gentzel
ist die ideale Ergänzung. Er ist zufrieden mit seiner Rolle, aber
wenn er gebraucht wird, ist er ohne Anlaufphase sofort im
Spiel. Und dann gibt es auch noch
Palicka,
der Junge hat Klasse - dieses Trio ist ideal.
Vorteil Kiel
Abwehr
Mit Manojlovic, Roggisch und Myrhol haben die Löwen
drei Typen, die dahin gehen, wo es weh tut. Von solchen
Kämpfern lebt jede Abwehr. Besonders Olli (Roggisch,
Anm. d. Red.) lebt dieses Spiel bis an seine Grenzen aus, das
ist gut so. Mit Manojlovic gibt es im Mittelblock jetzt
allerdings Konkurrenz für ihn, auch das ist gut so. Die
6:0-Deckung steht sicher, mit
Ahlm
hat der THW aber einen Spieler, der sie mit seinen Sperren
zerschneiden kann. Die 5:1-Deckung läuft nicht so rund.
Die Kieler sind mit ihren Varianten deutlich flexibler, haben
zudem auch in der 6:0-Deckung mehr Wechselmöglichkeiten.
Tagesform
Angriff
Mit dem verletzten
"Goggi" Sigurdsson fehlt den Löwen
ein ganz wichtiges Element. Er bringt unglaublich viel positive
Energie mit. Er war für mich schon in der vergangenen Saison
der heimliche Star der Mannschaft, ein echter Eiskrieger.
Aber auch Stefansson hat überragende Qualitäten. Er bringt Ruhe
ins Spiel, und macht auf der rechten Seite so viel Druck, dass
Bielecki in aller Ruhe werfen kann. Was das bedeutet, war im
Hinspiel zu beobachten. Stefansson muss
so gedeckt werden, dass er schnelle Entscheidungen treffen
muss. Klappt das nicht, spielt er Schach mit der Abwehr.
Mit Gensheimer haben die Löwen zudem den sichersten Gegenstoß-Spieler.
Auf der Kreisläuferposition sehe ich Myrhol und
Ahlm, der in der vergangenen Saison
treffsicherer war, auf Augenhöhe. Kiel ist im Angriff taktisch
aber nicht schlechter, hat mit
Ilic,
Jicha und
Narcisse
außerdem gleich drei Kandidaten, die ein Spiel allein entscheiden
können. Das ist ein klares Plus. Zudem ist es kein Nachteil, mit
drei Rechtshändern zu spielen. Da muss die Abwehr sich breiter
aufstellen, die Räume kann ein
Ahlm nutzen.
Vorteil Kiel
Heimspiel
Entschieden ist noch nichts. Da hätte sich eine Mannschaft im
Hinspiel schon mit fünf Toren
absetzen müssen. Ich erinnere mich nur ungern an das
letzte Champions-League-Spiel der Löwen in Kiel.
Da lagen wir zur Halbzeit 8:20 zurück, das war eine Hinrichtung
(Endstand 37:23 für Kiel, Anm. d. Red.). Das war zu einer
Zeit, als die ersten Manipulationsvorwürfe gegen Kiel
erhoben wurden und wir als die Feinde verstanden wurden.
Sonst ist das Publikum in Kiel immer sehr fair, aber damals
war alles anders. Diese Stimmung wird sich nicht wiederholen,
aber eine besondere Atmosphäre wird es trotzdem. Die ganze Stadt
fiebert dem Spiel entgegen, es knistert. Die Löwen sind als Mannschaft
noch nicht gefestigt, einige haben viel Erfahrung mit solchen
Hallen, andere sehr wenig. Es könnte passieren, dass sie daran
zerbrechen.
Vorteil Kiel
Fazit
Es wird ein besonderes Spiel, auch weil das Final Four
seinen Reiz hat. Es findet zum ersten Mal statt, da will
jeder Sportler dabei sein. Die Löwen haben im Pokalfinale
gegen Hamburg ihre Klasse bewiesen, daraus können sie viel
Selbstbewusstsein ziehen. Aber die Kieler sind in eigener
Halle eine Macht, sie müssten schon einen schlechten Tag
erwischen, um das Halbfinale noch zu verpassen.
Die Entscheidung, da bin ich mir sicher, wird aber
nicht wieder in der ersten Halbzeit fallen, das Kräfteverhältnis
zwischen den Klubs ist heute ein anderes. Ich persönlich freue
mich auf das Wiedersehen mit alten Bekannten aus Mannheim,
werde aber dem THW die Daumen drücken. Schließlich
bin ich ein Kieler.
(Mit Handballexperte Wolfgang Schwenke sprach Wolf Paarmann,
aus den Kieler Nachrichten vom 29.04.2010)