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29.08.2012 Bundesliga

Zebra-Journal: Ein Mitbegründer ist zurück

TV Neuhausen war der erste THW-Gegner in der Bundesliga-Saison 1977/1978

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012:

Das Team des TV Neuhausen.
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Einer weiß, wie es hoch hinaus geht: Axel Kromer. Der 39 Jahre alte Schwabe war Überflieger, genau gesagt: Stabhochspringer und als solcher in der Jugend Deutscher Meister. Kromer hat in Pfullingen zudem selbst eine Weile erstklassigen Handball gespielt - nun gehört er als Athletiktrainer zu jenen Männern, die eines der spannendsten Projekte der kommenden Saison zum Erfolg führen sollen. Erfolg für den TV 1893 heißt: die Einstiegshöhe nehmen, Platz 15 erreichen und damit in der Bundesliga bleiben.
Kromer kümmert sich um die individuellen Fortschritte. Cheftrainer ist der 38-jährige Lehrer Markus Gaugisch. Die sportlichen Biographien der beiden haben einen gemeinsamen Anker: Kurt Reusch, ein inzwischen 68 Jahre alter Ruheständler. Der gelernte Handschuhmacher folgte seiner Liebe, wurde im Zweitberuf Trainer und prägte seit 1971 die Geschicke der Region.

Reusch formte mehrere Spielergenerationen, unter ihm lernten auch Markus Baur, Michael Kraus und Martin Strobel. In Diensten des DHB coachte er 1981 bei der Junioren-WM in Portugal unter anderem den jungen Andreas Thiel, und 1997 spielten unter seinen Fittichen die späteren Weltmeister Florian Kehrmann und Torsten Jansen.

Mit den Neuhäuser Männern stieg Reusch in den siebziger Jahren dreimal in die 1. Liga auf; der kleine Verein passte bestens in jene Zeit, als Handball noch auf dem Dorf stattfand. Neuhausen zählte in der Saison 1977/78 zu den Gründungsmitgliedern der eingleisigen Bundesliga - und das ist auch für den THW Kiel von historischem Interesse: Am 17. September 1977 begann der THW in der Ostseehalle gegen jene Schwaben mit einem 18:12-Erfolg seine erstklassigen Zeiten. Auch das Auswärtsspiel ging mit 18:11 an die "Zebras", die als Zehnter mit nur einem Punkt Vorsprung auf den ersten Absteiger im Oberhaus blieben. Neuhausen musste als 14. und Letzter der Premierensaison runter und fiel ins Nirgendwo.

Erst im Jahr 2000 startete Reusch beim Verbandsligisten Neuhausen die Mission Wiederbelebung. Mit vielen selbst ausgebildeten Spielern führte er den Verein 2009 zum Ende seines Berufslebens wieder in die 2. Liga. Die Zukunft gehört seitdem seinen Schülern. Viele ehemalige Reusch-Spieler sind wie ihr Ziehvater später Trainer geworden, aber um seine Nachfolge zu regeln, brauchte es zwei Männer: Gaugisch in Neuhausen, Kromer für die württembergische Jugend und die Athletik des Bundesliga-Aufsteigers.

Gaugisch trimmt sein Team in diesem Sommer auf erstklassiges Format, er muss seine Spieler vor allem mit guten Ideen konkurrenzfähig machen. Stars sind eine Rarität im Kader des Neulings. Prominent ist allenfalls der extrovertierte österreichische Nationaltorwart Thomas Bauer, der neue Kreisläufer Alexander Becker war 2011 mit den deutschen Junioren Weltmeister. Der 21 Jahre junge Linksaußen Marcel Schiller (in der 2. Liga 251/78 Tore) zählt indes zu den Hochbegabten in Gaugischs Mannschaft, deren Struktur an die des Vorjahresaufsteigers Hüttenberg erinnert. Was dem "Neuhäuser Kommandogeber" (O-Ton TVN-Pressetext) und seinen Spielern jedoch möglich ist, erfuhr im vergangenen Dezember auch Frisch Auf Göppingen: Beim Zweitklässler unterlag der spätere EHF-Cup-Sieger im Achtelfinale des DHB-Pokals nach Verlängerung mit 30:32. Damals zählte jedoch noch Julius Emrich, Sohn des früheren Bundestrainers Armin Emrich, zu den Neuhäusern, doch der Kreisläufer wechselte zum Champions-League-Teilnehmer Kadetten Schaffhausen.

Wegen mangelnder Leidenschaft muss sich Gaugisch jedenfalls nicht sorgen - für ihn ist vor allem Konstanz als Erfolgsfaktor gefragt. "Wir arbeiten daran", versichert er, weiß aber um das grundsätzliche Problem der kommenden Monate: "Fürs Mithalten mit dem Gegner oder eine knappe Niederlage gibt es nun mal keine Punkte." Aus der eingleisigen 2. Liga kommen sie mit dem Schwung einer 15:1-Punkte-Serie, obwohl sie sich im vergangenen Jahr lediglich den Klassenverbleib zum Ziel gesetzt hatten. Der Spielplan ist eine weitere Klippe: Die ersten beiden Partien muss der TVN binnen zwei Tagen in Magdeburg und gegen die Füchse Berlin bestreiten - und die Mitaufsteiger Minden (5. September) und Essen (28. September) genießen zunächst Heimrecht.

Allein aus praktischen Gründen müssen die Schwaben jetzt aus ihrer Haut: Sie verlassen die urige Hofbühlhalle und ziehen um ins 25 Kilometer entfernte Tübingen. Statt maximal 1350 können sie in der dortigen Paul-Horn-Arena 2600 Zuschauer beherbergen. Der sportliche Leiter Jürgen Zepf rechnet mit bis zu 1300 Dauerkarten. Damit wäre rechnerisch jeder dritte Bürger des Stadtteils Neuhausen mobilisiert. Stadtteil? Auch das ist richtig - Neuhausen ist ein 4000 Bürger zählender Teil von Metzingen, das mit 22.000 Einwohnern auch nicht groß ist, sich aber rühmt, zwischen dem Ballungsraum Stuttgart und dem Oberzentrum Reutlingen/Tübingen Deutschlands Outlet-City Nummer eins zu sein. Hier können Frau und Mann Schnäppchen jagen und Markenware bis ans Limit der Kreditkarten kaufen, doch diese wirtschaftliche Kulisse schlägt sich nicht in den Etats des TV Neuhausen und der TuS Metzingen (Aufsteiger in die 1. Liga der Frauen) nieder.

"Wir starten mit einem Etat, den man besser nicht laut nennen sollte", sagt Zepf, denn Geld wirft im Handball viel berechenbarer Tore als es im Fußball welche schießt. Der 55-Jährige ist von Beruf Mediaberater und muss daher Talent als Verkäufer besitzen. Vielleicht redet er deshalb nicht so gern über Zahlen, die ein Geschäft sehr riskant erscheinen lassen. Im Interview mit dem Pressedienst der Liga ließ er sich locken und formulierte vage: "Ich sage nur so viel: Wir sind mit unserem Saisonetat noch immer unter einer Million Euro." Präzise feststellen lässt sich damit: Schafft Neuhausen den Klassenverbleib, hätten sie aus sehr wenig unglaublich viel gemacht.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012)


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