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16.09.2011 Verein

Kieler Nachrichten: Anklage- statt Trainerbank

Aus den Kieler Nachrichten vom 16.09.2011:

Am kommenden Mittwoch beginnt für Uwe Schwenker und Noka Serdarusic ein völlig neuer Abschnitt ihres gemeinsamen Weges. Die ehemaligen Handball-Heroen des THW Kiel treffen sich unter ungewöhnlichen Umständen wieder: als Angeklagte in einem Strafprozess im Saal 232 des Kieler Landgerichts.
Elf Monate hat die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt, ein Jahr das Landgericht die Akten geprüft. Nun müssen Schwenker (53), Ex-Manager des THW Kiel, und der frühere "Zebra"-Coach Serdarusic (61) die schwierigste Prüfung ihres Lebens absolvieren. Anklagebank statt Trainerbank. Für die 5. Große Strafkammer geht es beim laut Anklage erkauften Champions-League-Titel 2007 um gemeinschaftlich begangene Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs. Staatsanwalt Axel Goos wird versuchen, den Vorsitzenden Richter Matthias Werdeck, dessen zwei Kollegen und die Schöffen von einer anderen Sachlage zu überzeugen: von Betrug und Untreue (Schwenker) beziehungsweise der jeweiligen Beihilfe (Serdarusic).

"Die Beantwortung dieser Frage unter Fachleuten wird hochspannend", sagt Birgit Hess, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft. Das sehen Sportrecht-Experten wie der ehemalige Kieler Professor Martin Nolte (siehe Interview) nicht anders. Schiedsrichterbestechung ist im Strafgesetzbuch nicht vorgesehen. Deshalb sagt Schwenkers Verteidiger Michael Gubitz: "Der Prozess wird rechtliches Neuland betreten."

Die beiden Angeklagten haben bei der Wahl ihrer Anwälte klassenkonform gehandelt: Das Quartett spielt in der Bundesliga der Jurisprudenz. Erich Samson, der im vergangenen Jahr emeritierte Professor der Kieler Christian-Albrechts-Universität, gilt als legendäre Persönlichkeit des deutschen Wirtschaftsstrafrechts. Der 70-Jährige zählte Prominenz wie Uwe Barschel, Boris Becker oder den Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber zu seinen Mandanten. Auch den ehemaligen Mobilcom-Chef Gerhard Schmid vertrat er - gemeinsam übrigens mit Serdarusics zweitem Anwalt Marc Langrock. Beide werden ein Wiedersehen mit Staatsanwalt Goos "feiern". Axel Goos war 2007 Ankläger im Untreue-Prozess gegen Schmid - und handelte sich einen allerdings nicht erfolgreichen Befangenheitsantrag von Samson und Langrock ein - wegen angeblicher Korruption. Schwenker wird vertreten von den beiden Professoren Michael Gubitz (Kiel) und Gereon Wolters (Bochum), der über Erfahrung in Sportprozessen verfügt. So vertrat er im zweiten Verfahren des Fußball-Wettskandals einen der sechs Angeklagten.

Die beiden Beschuldigten werden nicht nur am Eröffnungstag darauf verzichten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. "Das Schweigerecht ist das gute Recht jedes Angeklagten", betont Marc Langrock. Am kommenden Mittwoch wird lediglich jene Erklärung verlesen, die Uwe Schwenker der Staatsanwaltschaft im November 2009 gegeben hat und in der er unter anderem erläutert, warum vom THW Geld an Nenad Volarevic (siehe Chronik) geflossen ist.

Ans Eingemachte geht es wohl erstmals am 28. und 30. September, wenn Jesper Nielsen seinen Auftritt hat. Der dänische Sponsor der Rhein-Neckar Löwen hat angeblich Schwenker beschuldigt, ihm am Abend des WM-Finales am 1. Februar 2009 in Zagreb in einem Hotel die Bestechung der Schiedsrichter Miroslaw Baum und Marek Goralczyk gestanden zu haben. Fragt sich nur, was Nielsen noch zur Aufklärung beisteuern kann. Den Kieler Nachrichten erklärte er vor vier Wochen: "Das ist alles so lange her, ich werde mir meine Zeugenaussage von einst vorlesen lassen und abnicken." An mehr würde er sich nicht erinnern. Nielsens Gegenspieler in der "Hotel-Bar-Affäre" ist der ehemalige THW-Gesellschafter Hubertus Grote, der am 6. und 7. Oktober in den Zeugenstand muss und das Gespräch ganz anders in Erinnerung hat.

Eine besondere Rolle könnten die Schiedsrichter des Champions-League-Finales von 2007 spielen. Dem Landgericht ist es gelungen, die Polen Baum und Goralczyk zur Reise nach Kiel am 28. Oktober beziehungsweise 4. November zu bewegen. Auch Volarevic ist vorgeladen, doch ob der Mann kommt, der den "Schiris" angeblich das Bestechungsgeld überbracht hat, ist noch ungewiss. Was Schwenkers Verteidiger Michael Gubitz vom Auftritt dieses Trios erwartet, klingt so: "Aufklärung und Entlastung für unseren Mandanten."

Auch Uwe Schwenker setzt darauf, den Gerichtssaal als freier Mann verlassen zu können ("Hoffentlich noch in diesem Jahr"). "Ich bin froh, dass es endlich los geht und die Wahrheit auf den Tisch kommt. Fast drei Jahre Berufsverbot sind genug", sagt er und räumt eine gewisse Anspannung ein: "Das ist wie vor einem großen Spiel." Doch wie die Wahrheit aussehen wird, bleibt vorerst ebenso Spekulation wie die Mutmaßung, Serdarusic werde - wie bereits vor der Staatsanwaltschaft - aus einem Grund schweigen: weil er nach seiner Entlassung 2008 den THW und seinen Ex-Partner Schwenker mit einer Intrige unter Mithilfe seines alten Kumpels Nenad Volarevic vernichten wollte.

(von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 16.09.2011)


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