THW-Logo
03.-05.02.2005 - Letzte Aktualisierung: 05.02.2005 WM 2005

Kieler Nachrichten: Sündenböcke Zeitz und Glandorf

Heiner Brand zog seine WM-Bilanz

Update #3 Update vom 05.02...

Hammamet - Bereits einen Tag vor dem letzten Hauptrundenspiel gegen Schweden (heute, 16.15 Uhr, live im DSF) zog Heiner Brand seine Bilanz für die Handball-WM in Tunesien. Dabei warf der Bundestrainer einigen Spielern mangelhafte taktische Disziplin vor. Sonst, so Brand, wäre bei dieser WM mehr als ein Spiel um Platz neun möglich gewesen. Namentlich griff er den Kieler Christian Zeitz und Holger Glandorf (HSG Nordhorn) an.
"Disziplin bedeutet nicht, rechtzeitig zum Frühstück zu kommen." Gerade von Zeitz, der gegen Schweden sein 100. Länderspiel machen wird, erwarte er mehr. "Jetzt steht nicht mehr der große Volker Zerbe vor ihm, und er ist für die anderen Nationen eine feste Größe, wenn sie sich auf ein Turnier vorbereiten." Wenn Zeitz auf internationalem Niveau Erfolg haben will, müsse er mehr Geduld haben und mit weniger Risiko spielen. "Nur das Überraschungsmoment reicht nicht." Ähnliches gelte für Glandorf. Doch der 21-Jährige hätte noch mehr Rechte, Fehler zu machen. "Wenn bei einigen Spielern der Lernprozess nicht ganz schnell einsetzt, muss ich mir überlegen, ob ich nicht auch auf sie verzichten kann", sagte Brand im Wissen, dass es in der Bundesliga keinen "großen Schwarm an Alternativen" gibt. Der 56-Jährige sparte dabei nicht mit Kritik an den Bundesliga-Klubs, die zu wenig auf deutsche Talente setzen. "Ganz und gar nicht im Sinne des deutschen Handballs kann es sein, wenn die Klubs junge Spieler aus dem Ausland ausbilden."

Mahnende Worte gab es zudem für den jungen Linksaußen Yves Grafenhorst, der in den ersten Minuten des Kroatien-Spiels mit Trickwürfen glänzen wollte. "Ein Florian Kehrmann ist nicht mit Drehern groß geworden, sondern mit Einsatz." Er verlange von einigen Spielern eine andere Mentalität beim Torwurf. "Da muss ich auch mal Blut am Knie sehen."

Lob spendete er neben Kehrmann den beiden Torhütern Johannes Bitter und Carsten Lichtlein, die seine Erwartungen erfüllt hätten. Gute Noten gab es für Steffen Weber ("sehr diszipliniert") und Oleg Velyky, der ein starkes Turnier gespielt habe. Ob der gebürtige Ukrainer trotz seiner Rückenprellung gegen die Schweden mitspielt, war gestern noch unklar. "So lange ich mich nicht bewege, geht es mir gut", ließ Velyky diese Frage unbeantwortet. Da Glandorf grippenkrank das Bett hütet, nominierte Brand einen Spieler nach, der schon seit zehn Tagen das Zimmer mit Zeitz teilt: Christian Schöne. Der 23-jährige Rechtsaußen reiste als WM-Tourist mit, weil Brand sich die Möglichkeit offen lassen wollte, kurzfristig einen 16. Spieler einzufliegen. "Er ist mit dieser schwierigen Situation sehr gut umgegangen und hat sich als hundertprozentiger Mannschaftsspieler gezeigt", sagte Brand, der einen Rücktritt nach Olympia 2008 als reine Spekulation bezeichnete. "So alt, dass ich in drei Jahren aufhören kann, bin ich noch nicht. Auch wenn ich vielleicht so alt aussehe." Brand hat immer wieder mit starken Rückenschmerzen zu kämpfen und unterzog sich vor der WM einer Spritzenkur bei Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer, dem Bruder des Sängers Herbert Grönemeyer.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 03.02.2005)

Aktualisierung vom 03.02.

WM-Splitter
Lama - Tschechiens Trainer Rastislav Trtik ist für zwei Spiele gesperrt worden. Trtik hatte im Hauptrundenspiel gegen Tunesien (25:36) am Montag auf die Offiziellen am Zeitnehmertisch gespuckt. Die Disziplinarkommission des Weltverbandes (IHF) zog den Trainer des Süd-Zweitligisten MSG Melsungen/Böddiger daraufhin aus dem Verkehr.

Verlängert - adidas verlängert sein Engagement im Handball um weitere acht Jahre. Der Sportartikel-Konzern will von 2005 bis 2013 als "Generalsponsor" der in Basel ansässigen IHF auftreten. Nach Informationen der "Financial Times" gibt adidas dafür einen siebenstelligen Betrag pro Jahr aus.

Medien - Mit 800 Journalisten hatten die Organisatoren gerechnet. Am Ende stapelten sich 1300 Gesuche auf ihrem Tisch. Allein aus Tunesien wollten 600 Medienvertreter dabei sein. 400 weitere aus Ägypten, Kuwait, Katar und Algerien, den anderen arabischen Ländern, die sich für die WM qualifizierten.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 03.02.2005)

Aktualisierung vom 04.02.

Kommentar zum Konflikt Brand-Zeitz: Unverzichtbarer Typ
In ungewöhnlich scharfer Form hat Heiner Brand am Rande der Handball-WM einigen seiner Spieler mit dem Rauswurf aus der Nationalmannschaft gedroht. Der Bundestrainer erwartet einen schnellen Lernprozess und fordert taktische Disziplin ein. Wenn er öffentlich einzelne Spieler wie Christian Zeitz vom THW Kiel kritisiert, hat er weder sich noch seinen Spielern damit einen Gefallen getan. Die Schuld am schlechtesten WM-Ergebnis seit 1938 kann Brand nicht auf die Schultern einzelner Spieler abwälzen.

Wenn er einen Spieler wie Zeitz nominiert, muss er damit leben können, dass ein Zeitz auch in der Nationalmannschaft seinen Stil spielt. Wie der Linkshänder spielt, wusste Brand vorher: Mit viel Risiko, mit viel Individualismus. Ein Trainer muss in der Lage sein, einen Spieler diesen Typs zu integrieren. Oder man muss ihn zu Hause lassen. Ihn immer wieder an einem Volker Zerbe zu messen, hilft niemanden. Dafür sind beide zu unterschiedliche Spielertypen.

Dass er mit lediglich 24 Jahren einer der ältesten Spieler in der Nationalmannschaft ist, darf sich auch nicht zum Bumerang entwickeln. Er will gar nicht führen, er will Handball spielen und mit seinem Torinstinkt Spiele entscheiden. Das ist ihm auch im DHB-Team oft genug gelungen. Wenn die Nationalmannschaft bei der WM 2007 im eigenen Land Erfolg haben will, kann sie auf einen Christian Zeitz nicht verzichten. Als Typ nicht. Und als Spieler schon gar nicht.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 03.02.2005)

Aktualisierung vom 05.02.

Wolf Paarmanns WM-Tagebuch: Begegnung
Der Finger bohrt sich in meine Brust. "Wir beide sprechen uns nach der Pressekonferenz!" Wir - das bin ich. Wir - das ist Heiner Brand, hoch dekorierter Bundestrainer. Eine halbe Stunde später führt mich der DHB-Pressechef zum Tribunal. Brand wartet in den Katakomben des "Salle 7th Novembre" von Nabeul. Nach dem Sieg gegen die Schweden. Ganz allein.

Es geht um Christian Zeitz, dem er tags zuvor mit Rauswurf gedroht hatte. Er fühle sich missverstanden. Auf keinen Fall wolle er den Kieler als Sündenbock für das schwache Abschneiden der Nationalmannschaft an den Pranger stellen. Er hätte lediglich an seinem Beispiel die taktischen Defizite einzelner Spieler gerügt.

Ob er meinen Text gelesen habe? Nein. Er hätte es nur gehört. Halb informiert - beim DHB kein Wunder. Aber wir haben uns näher kennen gelernt. Statt Fingerbohrer erhalte ich zum Abschied einen Schulterklopfer. Ich finde ihn auch nett - aber ohne Schnäuzer wäre er noch netter.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 05.02.2005)


(03.-05.02.2005) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite