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24./25.01.2011 - Letzte Aktualisierung: 25.01.2011 WM 2011

Deutschland verliert gegen Ungarn

Update #2 Spielbericht und KN-Bericht ergänzt...

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat das so wichtige zweite Hauptrundendpiel bei der Handball-Weltmeisterschaft in Schweden verloren: Gegen Ungarn schlug sich die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand beinahe selbst. Immer wieder rannten sich die deutschen Rückraumspieler in der ungarischen Abwehr fest, immer wieder scheiterten die Deutschen am überragenden Nandor Fazekas im Tor der Ungarn. Am Ende stand eine vermeidbare und deshalb umso ärgerlichere 25:27 (12:10)-Niederlage, die die Teilnahme am Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele wieder in weite Ferne rücken ließ.
Bester Torschütze der deutschen Mannschaft war Lars Kaufmann mit fünf Treffern. Christian Sprenger zeigte erneut eine gute Leistung, wurde aber auf Außen selten ins Szene gesetzt. Sprenger erzielte zwei Tore. Seinem Pendant auf Linksaußen, Dominik Klein, fehlte im Abschluss das Glück: Zweimal scheiterte Klein am Gebälk, und einmal war Fazekas Sieger im direkten Duell.

Die minimale Halbfinalchance hatte sich schon vor der Partie auf den Faktor "Wunder" reduziert. Spanien hatte am Nachmittag Island mit 32:24 bezwungen, so dass die Deutschen ihre Motivation aus der Qualifikation für die Teilnahme an den Olympia-Ausscheidungsspielen ziehen mussten. Dafür muss die Brand-Mannschaft mindestens Platz sieben bei der Weltmeisterschaft erreichen - nach der Niederlage gegen Ungarn ist dieses Ziel nun wieder in Gefahr geraten..

Die deutsche Mannschaft begann fahrig. Gegen Nandor Fazekas im Tor der Ungarn und deren gewaltigen Mittelblock fand die DHB-Auswahl nicht ins Spiel. Die Konsequenz: Ungarn führte nach vier Minuten mit 3:0, ehe Preiß im Nachfassen das erste deutsche Tor in diesem Spiel erzielen konnte. Michael Kraus hatte bis dato schon häufig den Fahrkartenschalter bedient, und auch Pascal Hens schien kein Zielwasser getrunken zu haben. Nach Ivancsisks 4:1 nahm Heiner Brand nach sieben Minuten bereits seine Auszeit. "Wir dürfen nicht den Kopf verlieren und müssen beweglicher spielen", forderte der Bundestrainer seine Mannen auf - und fand damit zumindest kurzfristig Gehör. Fazekas ließ einen Pfahl-Wurf über die Linie trudeln, Gensheimer drosch einen Tempogegenstoß an die Latte, aber Preiß verwandelte den Abpraller zum 3:4. Sprenger narrte Fazekas mit einem Dreher zum Ausgleich, Pfahl traf nach einem Gegenstoß. Als Schuch dann für zwei Minuten auf die Bank musste, nutzten die Deutschen durch Gensheimers Heber und einem Dreher des Löwen-Linksaußens zur 7:4-Führung (13.). Doch Sicherheit gab diese 6:0-Serie der deutschen Mannschaft nicht. Zu ungenau agierte der Rückraum, zuviele technische Fehler brachten die Ungarn immer wieder in Position. Die spielten auch nicht gut, es reichte aber, um beim 8:8 den Ausgleich wieder herzustellen. Brand brachte nun Kaufmann für den völlig indisponierten Hens, und der zukünftige Flensburger schaffte mit zwei Einzelleistungen immerhin wieder die 10:8-Führung (26.). Doch einmal mehr brachte die deutsche Mannschaft den Gegner mit Fehlwürfen und Stürmerfouls wieder in die Partie, der 39-Jährige Perez und Mocsai hielten ihre Farben im Spiel. Als Groetzki kurz vor der Pausensirene zum 12:10 für Deutschland traf, hofften aber nicht nur die schwarz-rot-golden gewandeten Fans auf der Tribüne auf eine bessere Partie nach der Halbzeit.

Doch sie sollten enttäuscht werden - außer von Fazekas. Der hielt weiter im Stile eines Teufelskerls. Mit seinem einzigen Feldtor erzielte Kraus trotzdem die 13:11-Führung, die Gensheimer ausbauen hätte müssen: Allein lief der Löwen-Linksaußen auf Fazekas zu, scheiterte aber an seiner Unkonzentriertheit und der schnellen Reaktion des Schlussmannes. Statt einer Drei-Tore-Führung kassierte die DHB-Auswahl den Anschlusstreffer durch Harsanyi, den nach Kraus' Siebenmeter zum 14:12 Gergö Ivancsik und Perez in Überzahl zum Ausgleich nutzten. Die Ivancsik-Brüder zauberten weiter, sie brachten Ungarn dann auch erstmals nach dem 3:0 wieder in Führung (41.). Die deutsche Mannschaft reagierte hilflos, nur durch Einzelaktionen kam sie jetzt noch zum Erfolg - auch weil Preiß und Klein jetzt freistehend an Fazekas scheiterten. Nachdem Glandorf zum 17:17 getroffen hatte, waren es erneut Ivancsik und Harsanyi, die Ungarn erstmals wieder mit zwei Toren in Führung brachten. Nun konnte die deutsche Mannschaft nicht mehr umgehend kontern, auch weil Perez nun ein ums andere Mal seine Wurfkraft unter Beweis stellte. Als das DHB-Team wieder am Ausgleich roch, verhinderte Hens diesen mit einem Stürmerfoul. Im Gegenzug verwandelte Ivancsik zum 21:19 (48.), Brand zog die Grüne Karte.

Seine Worte verhallten indes ungehört: In Überzahl schloss Kraus zu früh und unvorbereitet ab, und wenn der gute Bitter sich nicht den Siebenmeter von Harsanyi gegriffen hätte, wäre womöglich eine Vorentscheidung gefallen. So aber schloss Kaufmann zum 20:21 ab, und Glandorf machte nach einem Eins-gegen-Eins den 21:21-Ausgleich (52.). Doch auch dies war keine Initialzündung: Nun zeigte die Abwehr Schwächen gegen Perez, der Bitter erst mit ins Tor warf und den Hamburger wenig später mit einem Wurf durch die Beine düpierte. Dieses 24:22 (55.) für die Ungarn ärgerte nicht nur Heiner Brand, sondern auch Lars Kaufmann, der aus zehn Metern den Ball ins Tor drosch. Und wieder hatte das DHB-Team die Möglichkeit zum Ausgleich, die allerdings Haaß mit einem unvorbereiteten Wurf zunichte machte.

In der letzten Auszeit der Ungarn machte Heiner Brand dann einen einigermaßen ratlosen Eindruck. Letztlich brachte er mit Gensheimer einen zweiten Linksaußen, und Oliver Roggisch wechselte sich selbst gegen den schnelleren Heinl aus. Mit einer offenen Deckung versuchten die Deutschen nun, die Partie doch noch zu drehen. Selbst nach Ilyes' 25:23 (58.) wäre dies noch möglich gewesen, da Glandorf schnell den Anschluss wieder herstellte. Dann schnappte sich Gensheimer in der Abwehr den Ball, doch anstatt auf den freistehenden Sprenger zu passen, verdribbelte sich der Linksaußen - die große Chance zum Ausgleich war dahin. Czaszar machte 53 Sekunden vor dem Ende alles klar, auch weil Kaufmann bei seinem letzten Wurf ungeahndet gefoult wurde, was der pfeilschnelle Tamas Ivancsik zum 27:24 nutzte.

"Heute fehlte bei allen Unzulänglichkeiten auch die Frische", sagte ein sichtlich enttäuschter Heiner Brand nach der Partie. "Wenn man in die Gesichter der Spieler geschaut hat, bekam man keine Reaktion. Das zeigte sich dann in den Fehlern und Aussetzern. Und so verliert man auch so ein Spiel." Ratlos war Johannes Bitter: "Ich verstehe nicht, was wir in der zweiten Halbzeit abgeliefert haben. Hinten war es ganz ordentlich, aber vorne zu ineffektiv. Mit unseren Fehlern haben wir dieses enorm wichtige Spiel verloren."

Am Dienstag spielt die deutsche Mannschaft in der Hauptrundengruppe I bereits um 16.15 Uhr gegen Norwegen. Das Spiel wird beim Public Viewing in Deutschlands einzigem "Handballbahnhof" live und auf Großbildleinwand gezeigt.

(Christian Robohm)

 

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.

Gruppe I, 2. Spieltag: 24.01.11, Mo., 18.15: Ungarn - Deutschland: 27:25 (10:12)

Ungarn:
Fazekas (1.-60., 22 Paraden), Mikler (1 Siebenmeter, 0 Paraden); Ilyes (2), Csaszar (2), Mocsai (4), Gal, G. Ivancsik (5/1), T. Ivancsik (5), Harsanyi (3/3), Toro, K. Nagy, Gulyas, Katzirz, Zubai (1), Schuch, Perez (5); Trainer: L. Mocsai
Flagge GER Deutschland:
Bitter (1.-60., 14 Paraden), Heinevetter (1 Siebenmeter, 0 Paraden); Hens, Gensheimer (2), Roggisch, Klein, Pfahl (1), Preiß (2), Heinl (1), Glandorf (4), Christophersen (n.e.), Kraus (4/3), Sprenger (2), Kaufmann (5), Haaß (1), Groetzki (1); Trainer: Brand
Schiedsrichter:
Olesen / Pedersen (Dänemark)
Zeitstrafen:
Ungarn: 5 (2x Schuch (12., 27.), 2x Mocsai (21., 47.), Zubai (50.));
Deutschland: 4 (Sprenger (22.), 2x Preiß (23., 35.), Gensheimer (38.))
Siebenmeter:
Ungarn: 6/4 (Bitter hält Csaszar (17.) und Harsanyi (51.));
Deutschland: 3/3
Spielfilm:
1. Hz.: 3:0 (4.), 4:1 (6.), 4:7 (13.), 5:8, 8:8 (22.), 8:10, 9:11 (27.), 10:12;
2. Hz.: 11:13 (35.), 12:14, 14:14 (39.), 16:15 (41.), 17:17, 19:17 (45.), 20:18 (46.), 21:19, 21:21 (52.), 23:21 (54.), 24:23 (56.), 25:24 (59.), 27:24 (60.), 27:25.
Zuschauer:
3963 (Kinnarps Arena, Jönköping (SWE))

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2011:

Zittern nach Angststarre

Deutsche Handballer wie Wundertüte - Olympia-"Quali" nur noch mit fremder Hilfe möglich
Jönköping. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft bleibt eine Wundertüte. Zwei Tage nach dem starken Auftritt gegen Island zeigte das Team von Heiner Brand gestern wieder ihr anderes Gesicht. Eines voller Zweifel und Ängste. Nach der unnötigen 25:27 (12:10)-Niederlage gegen Ungarn ist die Olympia-Qualifikation wieder in weite Ferne gerückt.

Zuvor hatten die Isländer gegen Spanien verloren, so dass der Halbfinal-Traum bereits vor dem Anwurf geplatzt war. Der Kieler Dominik Klein beteuerte, dass keiner daran gedacht hätte. "Ein Lottogewinn wäre wahrscheinlicher gewesen." Ihr Minimalziel sei Platz sieben. Dieser würde noch zur Teilnahme an einem der drei "Quali"-Turniere für Olympia 2012 in London berechtigen. Doch der Weg dahin ist bedenklich schmal geworden. Einer, auf dem die Deutschen nun helfende Hände brauchen. Punkten die Isländer und die Ungarn in ihren letzten Spielen, wäre selbst ein Sieg gegen Norwegen (heute, 16.15 Uhr/ZDF) wertlos.

"Die Erleichterung ist riesig", freute sich Tamas Mocsai, Linkshänder in Diensten der SG Flensburg. "Wir haben um jeden Zentimeter gekämpft und das Spiel mit unserer disziplinierten Abwehr gewonnen." Die Ungarn, die auf den verletzten Kreisläufer Gyula Gal verzichten mussten, waren im Angriff tatsächlich bieder. Auffälligster Akteur war ausgerechnet Carlos Perez, ein gebürtiger Kubaner, der demnächst die Gästeliste für seinen 40. Geburtstag zusammenstellen wird.

Der Sieg der Spanier hatte den Deutschen neben einem Traum auch die Zuschauer genommen. Die Island-Fans, die zu den wenigen Emotionszentren dieser WM gehören, hatten mehrheitlich entschieden, ihren Kummer in der Stadt zu ertränken. Nur die spanischen Spieler kehrten zurück, bepackt mit prallen Plastiktüten. Offensichtlich hatten sie einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Prämien für den Halbfinal-Einzug in einem nahe gelegenen Sportgeschäft ausgegeben.

Sie sahen eine deutsche Mannschaft, die im Angriff nicht in der Lage war, ein äußerst bescheidenes Niveau zu überschreiten. Der Blick für den Nebenmann blieb getrübt, stattdessen wurde durchweg die Brechstange als geeignetes Mittel empfunden. Eine Ausnahme blieb eine kurze Phase in der ersten Halbzeit. Brand hatte auf einem 1:4-Rückstand (8.) mit einer schnellen Auszeit reagiert und offenbar einen Schalter gefunden. Sein Team schüttelte die Angststarre ab und warf sechs Tore in Folge. Einzig Ungarns Schlussmann Nandor Fazekas verhinderte eine frühe Entscheidung. "Wir hätten nach dem 7:4 einfach weitermachen müssen", ärgerte sich Klein darüber, dass das Tempo nur ein flüchtiger Begleiter blieb. "Die erste Halbzeit war schlecht und die Pause zu kurz, um sich wieder aufzurappeln."

Sie haben gekämpft, keine Frage. Sie haben gewollt, auch das lässt sich ins Zeugnis eintragen. Aber es fehlte dieser unbedingte Wille, der gegen Island das Feuer lieferte, an dem sie sich die Hände wärmen konnten. "Wahrscheinlich haben wir in diesem Spiel unserer Obergrenze erreicht", sagte Holger Glandorf, der wie alle Kollegen im Angriff enttäuschte. "Aber auch schwächere Spiele müssen wir gewinnen können." Zumal Ungarn keineswegs als eine Macht auftrat, die Herzrasen beim Gegner verursacht. Doch insgesamt 38 Fehlwürfe (22 in der ersten Halbzeit) verdarben dem deutschen Team zunächst das Konzept und dann die Laune.

Brand stellte sich anschließend schützend vor seine Mannschaft. "Wahrscheinlich hat sie zu viel Substanz gelassen." Er sei sicher, dass alle den Erfolg gewollt hätten: "Es wäre fahrlässig, hier die Olympia-Qualifikation zu verspielen."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2011)


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