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27/28.01.2008 - Letzte Aktualisierung: 28.01.2008 EM 2008 / Nationalmannschaft

Frankreich führt Deutschland im Spiel um Platz 3 vor

Update #2 KN-Artikel, weitere Stimmen und Fotos ergänzt...

Schrecksekunde: Markus Baur liegt verletzt am Boden.
Klicken Sie zum Vergrößern! Schrecksekunde: Markus Baur liegt verletzt am Boden.
Das war nichts: Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat das Spiel um Platz 3 bei der Europameisterschaft klar gegen Frankreich verloren. Dabei ließ sich das Team von Bundestrainer Heiner Brand vor allem in der ersten Hälfte zeitweilig vorführen - das Ende eines Kräfte zehrenden Turniers war wenig rühmlich für den Weltmeister.
"Morgen werden wir noch einmal alles geben und alles versuchen: Bronze ist ja schließlich auch etwas!" hatte Mannschaftskapitän Markus Baur den Fans direkt nach der Halbfinal-Niederlage gegen Dänemark
Erfolgreichster Werfer: Torsten Jansen.
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versprochen - gehalten hat die deutsche Mannschaft dieses Versprechen leider zu keinem Zeitpunkt. Und so schlugen sich nicht nur die verletzten Oliver Roggisch, Florian Kehrmann und Sebastian Preiß auf der Tribüne ein ums andere Mal die Hände vors Gesicht: So viele Fehler, wie das DHB-Team über die gesamte Spielzeit im Angriff fabrizierte, sieht man selbst in Jugendspielen auf unterem Niveau selten. Die Franzosen nahmen die Einladung zu Tempogegenstößen dankend an. Bei 2:7 versuchte Heiner brand zu retten, was nicht mehr zu retten war. Bereits in der neunten Minute nahm der Bundestrainer eine Auszeit, stauchte seine Mannen zusammen. "Jetzt reißt euch endlich zusammen!" hörten die vielen Zuschauer der Live-Übertragung einen sichtlich erregten Brand, dessen Worte allerdings ungehört verhallten. Spätestens als Markus Baur sich nach 12 Minuten ohne Gegnereinwirkung verletzte, war es um den Körpereinsatz des DHB-Teams vollends geschehen.

Zum Haareraufen: Johannes Bitter und Dominik Klein steht der Frust ins Gesicht geschrieben.
Klicken Sie zum Vergrößern! Zum Haareraufen: Johannes Bitter und Dominik Klein steht der Frust ins Gesicht geschrieben.
Und so durfte Frankreich weiter auf einen Fehler der Deutschen warten, um ein Gegenstoßgewitter in Richtung deutsches Tor zu schicken. Narcisse und Girault nutzten das Wurftraining, um bereits in den ersten dreißig Minuten jeweils fünf Mal zu treffen, während im DHB-Team nun jeder einsatzfähige Spieler auf die Platte durfte. So spielte Lars Kaufmann am Kreis während Michael Kraus versuchte, das Debakel in Grenzen zu halten. Doch schon zur Pause war klar: Frankreich führt Deutshcland vor - das 18:9 war beinahe noch schmeichelhaft.

In der zweiten Hälfte änderte sich daran nichts mehr. Zu keinem Zeitpunkt konnte man erahnen, dass das DHB-Team gestern noch Halbfinalist der EM war. Die Franzosen freuten sich über das lockere Auslaufen in Turnieratmosphäre und die bronzene Medaille, mit der Nikola Karabatic und Thierry Omeyer nach Kiel zurück kehren werden. Über das Spiel der Deutschen sollte man allerdings schnell den Mantel des Schweigens hüllen. Ansonsten hätte das Turnier, in dem das DHB-Team bravourös gegen alle Widrigkeiten ankämpfte und trotz großer Verletzungssorgen das Halbfinale erreichte, einen zu bitteren Beigeschmack...

(Christian Robohm)

Lesen Sie bitte auch den Spielbericht der KN.

Stimmen zum Spiel:

Bundestrainer Heiner Brand gegenüber dem ZDF:
Das heute hat weh getan, das Spiel war eine Demütigung. Ich muss zugeben, des öfteren auf die Uhr geschaut und mir erhofft zu haben, die Zeit verginge schneller. Natürlich waren wir personell an den Grenzen angelangt und die Belastung war sehr hoch. Das entschuldigt einiges, aber nicht alles. Besonders bei den Spielern, die zuletzt wenig eingesetzt wurden, fehlte die Leidenschaft. Ich hatte nach der Verletzung von Baur keine Spieler, die voran marschieren. Dieses Spiel muss ich erst verarbeiten. Das Team in Peking wird aus einem Großteil der EM-Spieler bestehen. Ich werde aber den Konkurrenzkampf schüren, damit so etwas wie heute nicht mehr passiert. Christian Schwarzer habe ich vorsorglich für den 50er-Kader für Peking gemeldet.

gegenüber den KN:
Die Niederlage gegen Frankreich kann ich angesichts unserer Verletzungsprobleme akzeptieren. Die Art und Weise nicht. Da war keiner, der vorangegangen ist.

TV-Experte Christian Schwarzer im ZDF:
Das heute hätte nicht sein müssen. Aber: Während andere von Weltspitze reden, sind wir als Halbfinalist mitten drin. Darauf lässt sich aufbauen - wenngleich das Spiel heute die Bilanz getrübt hat. Zu Peking: Ich bin zurück getreten, weiß aber, dass man niemals nie sagen sollte. Aber zu 99,9 Prozent bin ich nicht dabei - den Rest wird die Zukunft zeigen ...
Markus Baur gegenüber dem ZDF:
Wir sind einfach nicht ins Spiel gekommen, haben vorne die Bälle weggeworfen, sind nicht zurück gelaufen und lagen durch die Gegenstöße schnell mit 9:2 im Hintertreffen. Wir haben immer die falschen Entscheidungen getroffen, obwohl wir gut vorbereitet auf das Spiel der Franzosen waren. Das Positive an der EM ist schwer zu beschreiben, ich bin über das heutige Spiel riesig enttäuscht. Aber wir haben ein Team gesehen, dass gegen alle anderen Mannschaften mithalten kann. Darauf können wir in Hinsicht auf die Olympiade aufbauen.

gegenüber den KN:
Man kann nichts und niemanden einen Vorwurf machen. Wir haben im Halbfinale alles gegeben.

Johannes Bitter gegenüber den KN:
Nach der Niederlage gegen Dänemark war es in der Kabine totenstill. Wir hatten alle vom Finale geträumt. Im Spiel um Platz drei hatten sich alle nach zehn Minuten mit dem Ergebnis abgefunden.
Pascal Hens gegenüber den KN:
Heute war ein Tag, an dem wir besser im Bett geblieben wären. Ich hoffe, dass dieses Spiel nicht alles zerstört hat, was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben.
Torsten Jansen gegenüber den KN:
Zur Atmosphäre:
Wenn man es anders gewöhnt ist, ist das ein Rückfall in alte Schulsporthallen-Zeiten.
Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Wenn man sieht, wie wir heute gegen Deutschland gespielt haben, kann man schon traurig sein. Es wäre für uns mehr möglich gewesen. Aber wir freuen uns jetzt über Bronze.

27.01.08, So., 13.30: Deutschland - Frankreich: 26:36 (9:18)

Deutschland:
Fritz (1.-9., 35.-60., 6 Paraden), Bitter (9.-35., 2 Paraden); Hens (6), von Behren, Klein (1), Hermann (1), Glandorf (2), Baur, Zeitz (1), Jansen (7/3), Klimovets (2), Kraus (3), Kaufmann, Schröder (3); Trainer: Brand
Frankreich:
Omeyer (1.-54., 10 Paraden), Karaboue (54.-60, 1 Parade); Fernandez (1), Dinart, G. Gille (1), Narcisse (7), Girault (8/5), Karabatic (6), Kempe (2), Abalo (6), Krantz (1), Ostertag (2), Paty (2), Guilbert; Trainer: Onesta
Schiedsrichter:
Vakula / Ljudovik (RUS)
Zeitstrafen:
Deutschland: 4 (v. Behren 36., 2x Schröder (48., 56.), Klein (53.)) ;
Frankreich: 3 (Karabatic (16.), Narcisse (47.), Paty (54.))
Siebenmeter:
Deutschland: 3/3;
Frnakreich: 6/5 (Paty verwirft)
Spielfilm:
1. Hz.: 0:2, 1:2, 1:4 (6.), 2:5, 2:7 (9.), 2:10 (11.), 3:10, 3:12 (15.), 6:12 (20.), 6:16 (23.), 8:16 (28.), 9:17;
2. Hz.: 9:19, 11:20 (33.), 11:24 (36.), 13:25 (38.), 13:27 (42.), 18:27 (48.), 18:29, 22:31 (53.), 26:36.
Zuschauer:
7940 (Trondheim Spektrum, Trondheim (NOR))

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2008:

Weltmeister mit leeren Händen

Peinlicher Auftritt beim 26:36 im Bronzespiel gegen Frankreich - Halbfinal-Niederlage gegen Dänemark saß tief
Lillehammer - Mit großen Hoffnungen war der Weltmeister in Norwegen an den Start gegangen. Nach der peinlichen 26:36 (9:18)-Niederlage gegen Frankreich im Spiel um Platz drei standen die Schützlinge von Heiner Brand gestern Nachmittag in der Hakonshall von Lillehammer am Ende allerdings mit leeren Händen da.

In einem dramatischen Halbfinale hatten die Deutschen tags zuvor gegen Dänemark (25:26) den Traum von der Goldmedaille platzen lassen. Die Entscheidung fiel einmal mehr in den letzten Sekunden, als Sebastian Preiß den dänischen Kreisläufer Michael Knudsen umklammerte und mit ihm in den Kreis stürzte. Die Entscheidung war eindeutig: Siebenmeter. Lars Christiansen sollte werfen, der in einem spannenden Spiel bis dato mehr Schatten als Licht erlebt hatte. Brand wechselte Henning Fritz ein, der sich zu Kieler Zeiten viele Duelle mit dem Linksaußen der SG Flensburg-Handewitt geliefert hatte. Doch Christiansen traf, raste quer durch die Halle und verschwand unter einer rot-weißen Spielertraube.

Dass der 35-Jährige sicher vollstreckte, war symptomatisch für eine dänische Mannschaft, die die Selbstzweifel der Vergangenheit endlich abgelegt hat. "Das war der erste entscheidende Siebenmeter, den er verwandelt hat", meinte ein geknickter Markus Baur, dessen Team zuvor einen 5:7-Rückstand (18.) in eine 12:7-Führung (26.) umgedreht hatte und wie ein Sieger aussah. Johannes Bitter hatte wie ein Titan gehalten, der nachnominierte Frank von Behren im Mittelblock ein starkes Spiel abgeliefert und Florian Kehrmann, der Mann ohne Nerven, gewohnt zuverlässig getroffen. Doch der Rechtsaußen zog sich beim Stand von 9:7 eine Oberschenkelzerrung zu, biss auf die Zähne, pendelte ständig zwischen Bank und Spielfeld hinterher, bis er nach seinem sechsten Tor zum 19:20 die weiße Fahne hissen musste. "Da hat der Muskel endgültig zugemacht." Sebastian Preiß quälte sich mit einem entzündenden Knie über die Ziellinie, Christian Zeitz mit Rückenschmerzen, Michael Kraus mit einer Prellung im linken Unterarm. Das Lazarett glich durch zwei Tore von Kraus und Preiß noch einmal auf 25:25 aus, als Bo Spellerberg mit seinem finalen Pass Knudsen fand. "So einen Ball spielt er sonst nie. Das hat er sich bei mir abgeschaut", lobte ein feixender Joachim Boldsen.

Entsprechend frustriert schlichen die Deutschen in die Kabine und trugen den Kopf auch noch unter der Schulter, als sie gestern um Bronze spielen sollten. "Die Verletzten haben auf der Tribüne alles gegeben", lobte Pascal Hens. "Aber denen, die auf dem Platz standen, wollte einfach einfach nichts gelingen. Es war eine einzige Katastrophe." Wie Auszubildende, die dem Meister ehrfürchtig über die Schulter blicken, erlebte das Brand-Team seinen Untergang. 2:10 nach elf Minuten - was wie Grönland klingt, war tatsächlich der Weltmeister. Brand hatte zu diesem Zeitpunkt schon Fritz vom Feld genommen, der dies entsprechend angefressen aufnahm.

So blieb er demonstrativ auf seinem Stuhl kleben, als sich die Kollegen bei einer Auszeit neuen Mut zusprechen wollten. Ein wütender Fritz war eines der wenigen Lebenszeichen einer Mannschaft, die es der Gnade des Gegners zu verdanken hatte, nicht noch stärker unter die Räder gekommen zu sein. Ohne Baur, der in der 12. Minute umgeknickt war und mit Verdacht auf eine starke Stauchung im Knöchel das Feld räumen musste, ergaben sich die Deutschen, die in ihrer Not Lars Kaufmann als Kreisläufer aufboten, gänzlich ihrem Schicksal. Die Stimmung besserte sich erst eine Stunde nach dem Abpfiff in der Kabine, als sie sich den Frust mit Bier wegspülten.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2008)


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