27/28.01.2008 - Letzte Aktualisierung: 28.01.2008 | EM 2008 / Nationalmannschaft |
Update #2 | KN-Artikel, weitere Stimmen und Fotos ergänzt... |
Schrecksekunde: Markus Baur liegt verletzt am Boden. |
Erfolgreichster Werfer: Torsten Jansen. |
Zum Haareraufen: Johannes Bitter und Dominik Klein steht der Frust ins Gesicht geschrieben. |
In der zweiten Hälfte änderte sich daran nichts mehr. Zu keinem Zeitpunkt konnte man erahnen, dass das DHB-Team gestern noch Halbfinalist der EM war. Die Franzosen freuten sich über das lockere Auslaufen in Turnieratmosphäre und die bronzene Medaille, mit der Nikola Karabatic und Thierry Omeyer nach Kiel zurück kehren werden. Über das Spiel der Deutschen sollte man allerdings schnell den Mantel des Schweigens hüllen. Ansonsten hätte das Turnier, in dem das DHB-Team bravourös gegen alle Widrigkeiten ankämpfte und trotz großer Verletzungssorgen das Halbfinale erreichte, einen zu bitteren Beigeschmack...
(Christian Robohm)
Lesen Sie bitte auch den Spielbericht der KN.
Das heute hat weh getan, das Spiel war eine Demütigung. Ich muss zugeben, des öfteren auf die Uhr geschaut und mir erhofft zu haben, die Zeit verginge schneller. Natürlich waren wir personell an den Grenzen angelangt und die Belastung war sehr hoch. Das entschuldigt einiges, aber nicht alles. Besonders bei den Spielern, die zuletzt wenig eingesetzt wurden, fehlte die Leidenschaft. Ich hatte nach der Verletzung von Baur keine Spieler, die voran marschieren. Dieses Spiel muss ich erst verarbeiten. Das Team in Peking wird aus einem Großteil der EM-Spieler bestehen. Ich werde aber den Konkurrenzkampf schüren, damit so etwas wie heute nicht mehr passiert. Christian Schwarzer habe ich vorsorglich für den 50er-Kader für Peking gemeldet.gegenüber den KN:
Die Niederlage gegen Frankreich kann ich angesichts unserer Verletzungsprobleme akzeptieren. Die Art und Weise nicht. Da war keiner, der vorangegangen ist.
Das heute hätte nicht sein müssen. Aber: Während andere von Weltspitze reden, sind wir als Halbfinalist mitten drin. Darauf lässt sich aufbauen - wenngleich das Spiel heute die Bilanz getrübt hat. Zu Peking: Ich bin zurück getreten, weiß aber, dass man niemals nie sagen sollte. Aber zu 99,9 Prozent bin ich nicht dabei - den Rest wird die Zukunft zeigen ...
Wir sind einfach nicht ins Spiel gekommen, haben vorne die Bälle weggeworfen, sind nicht zurück gelaufen und lagen durch die Gegenstöße schnell mit 9:2 im Hintertreffen. Wir haben immer die falschen Entscheidungen getroffen, obwohl wir gut vorbereitet auf das Spiel der Franzosen waren. Das Positive an der EM ist schwer zu beschreiben, ich bin über das heutige Spiel riesig enttäuscht. Aber wir haben ein Team gesehen, dass gegen alle anderen Mannschaften mithalten kann. Darauf können wir in Hinsicht auf die Olympiade aufbauen.gegenüber den KN:
Man kann nichts und niemanden einen Vorwurf machen. Wir haben im Halbfinale alles gegeben.
Nach der Niederlage gegen Dänemark war es in der Kabine totenstill. Wir hatten alle vom Finale geträumt. Im Spiel um Platz drei hatten sich alle nach zehn Minuten mit dem Ergebnis abgefunden.
Heute war ein Tag, an dem wir besser im Bett geblieben wären. Ich hoffe, dass dieses Spiel nicht alles zerstört hat, was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben.
Zur Atmosphäre:
Wenn man es anders gewöhnt ist, ist das ein Rückfall in alte Schulsporthallen-Zeiten.
Wenn man sieht, wie wir heute gegen Deutschland gespielt haben, kann man schon traurig sein. Es wäre für uns mehr möglich gewesen. Aber wir freuen uns jetzt über Bronze.
Aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2008:
In einem dramatischen Halbfinale hatten die Deutschen tags zuvor gegen Dänemark (25:26) den Traum von der Goldmedaille platzen lassen. Die Entscheidung fiel einmal mehr in den letzten Sekunden, als Sebastian Preiß den dänischen Kreisläufer Michael Knudsen umklammerte und mit ihm in den Kreis stürzte. Die Entscheidung war eindeutig: Siebenmeter. Lars Christiansen sollte werfen, der in einem spannenden Spiel bis dato mehr Schatten als Licht erlebt hatte. Brand wechselte Henning Fritz ein, der sich zu Kieler Zeiten viele Duelle mit dem Linksaußen der SG Flensburg-Handewitt geliefert hatte. Doch Christiansen traf, raste quer durch die Halle und verschwand unter einer rot-weißen Spielertraube.
Dass der 35-Jährige sicher vollstreckte, war symptomatisch für eine dänische Mannschaft, die die Selbstzweifel der Vergangenheit endlich abgelegt hat. "Das war der erste entscheidende Siebenmeter, den er verwandelt hat", meinte ein geknickter Markus Baur, dessen Team zuvor einen 5:7-Rückstand (18.) in eine 12:7-Führung (26.) umgedreht hatte und wie ein Sieger aussah. Johannes Bitter hatte wie ein Titan gehalten, der nachnominierte Frank von Behren im Mittelblock ein starkes Spiel abgeliefert und Florian Kehrmann, der Mann ohne Nerven, gewohnt zuverlässig getroffen. Doch der Rechtsaußen zog sich beim Stand von 9:7 eine Oberschenkelzerrung zu, biss auf die Zähne, pendelte ständig zwischen Bank und Spielfeld hinterher, bis er nach seinem sechsten Tor zum 19:20 die weiße Fahne hissen musste. "Da hat der Muskel endgültig zugemacht." Sebastian Preiß quälte sich mit einem entzündenden Knie über die Ziellinie, Christian Zeitz mit Rückenschmerzen, Michael Kraus mit einer Prellung im linken Unterarm. Das Lazarett glich durch zwei Tore von Kraus und Preiß noch einmal auf 25:25 aus, als Bo Spellerberg mit seinem finalen Pass Knudsen fand. "So einen Ball spielt er sonst nie. Das hat er sich bei mir abgeschaut", lobte ein feixender Joachim Boldsen.
Entsprechend frustriert schlichen die Deutschen in die Kabine und trugen den Kopf auch noch unter der Schulter, als sie gestern um Bronze spielen sollten. "Die Verletzten haben auf der Tribüne alles gegeben", lobte Pascal Hens. "Aber denen, die auf dem Platz standen, wollte einfach einfach nichts gelingen. Es war eine einzige Katastrophe." Wie Auszubildende, die dem Meister ehrfürchtig über die Schulter blicken, erlebte das Brand-Team seinen Untergang. 2:10 nach elf Minuten - was wie Grönland klingt, war tatsächlich der Weltmeister. Brand hatte zu diesem Zeitpunkt schon Fritz vom Feld genommen, der dies entsprechend angefressen aufnahm.
So blieb er demonstrativ auf seinem Stuhl kleben, als sich die Kollegen bei einer Auszeit neuen Mut zusprechen wollten. Ein wütender Fritz war eines der wenigen Lebenszeichen einer Mannschaft, die es der Gnade des Gegners zu verdanken hatte, nicht noch stärker unter die Räder gekommen zu sein. Ohne Baur, der in der 12. Minute umgeknickt war und mit Verdacht auf eine starke Stauchung im Knöchel das Feld räumen musste, ergaben sich die Deutschen, die in ihrer Not Lars Kaufmann als Kreisläufer aufboten, gänzlich ihrem Schicksal. Die Stimmung besserte sich erst eine Stunde nach dem Abpfiff in der Kabine, als sie sich den Frust mit Bier wegspülten.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2008)
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