Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat ihren ersten Sieg bei
der
Weltmeisterschaft in Kroatien eingefahren.
Mit viel Mühe besiegte die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand im zweiten Spiel
der
Vorrunden-Gruppe C Tunesien mit 26:24 (12:12) und wahrte
damit alle Chancen auf den Hauptrundeneinzug. Bester Werfer im DHB-Team war erneut
Pascal Hens mit sechs Toren,
Dominik Klein erzielte ein Tor.
Der Bundestrainer musste auf
Christian Sprenger verzichten. Dieser hatte sich
beim
Auftakt-Remis gegen Russland das Innenband des rechten Knies gerissen und
ist bereits aus Kroatien abgereist. Dafür meldete sich Michael Kraus "bedingt einsatzfähig": Mit
dick getapeten Waden blieb der Spielmacher aber zunächst auf der Bank.
Er musste mitansehen, wie die deutsche Mannschaft zunächst konfus begann. In der Abwehr fand
man nicht den Körperkontakt, Johannes Bitter im Tor fasste auch keinen Ball an und im Angriff
wurde kopflos agiert. Die Konsequenz: Tunesien ging schnell mit fünf Toren in Führung und behauptete
diese, weil das DHB-Team einfach nicht ins Spiel fand. Heiner Brand nahm eine Auszeit und brachte
Michael Kraus, während Bitter durch Lichtlein ersetzt wurde. Dieser hielt bravourös, während
Kraus mit ernergischen Vorstößen endlich Gefahr für das tunesische Tor heraufbeschwor.
Eine doppelte Überzahlsituation
nutzte das deutsche Team um zu verkürzen, kurz darauf glichen die Brand-Schützlinge sogar aus. Ein
Unentschieden, das bis zur Pause bestand haben sollte.
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Issam Tej - den THW-Fans nach seinem brutalen Foul an
Nikola Karabatic noch in schlechter
Erinnerung - sah in der 59. Minute nach dritter Zeitstrafe die
rote Karte,
|
Nach der Pause gingen die Deutschen zum ersten Mal in der Partie in Führung. Dass sie sich aber
nicht absetzen konnten, lag weiterhin an der mangelnden Konzentration im Angriff. Doch zehn Minuten
vor dem Ende bekam die DHB-Auswahl die Partie in den Griff - auch, weil Holger Glandorf in dieser
Phase zu alter Kaltschnäuzigkeit zurück fand. Deutschland setzte sich mit drei Toren ab, Tunesien konnte
gegen eine nun aufmerksamere deutsche Abwehr kaum noch punkten. Hinzu kam, dass dieses Mal die
Schiedsrichter ein Auge auf die Aktionen der zum Teil hart an der Grenze des Erlaubten agierenden Tunesier
geworfen hatten. Viele Zeitstrafen waren die Folge - ein Teil des Puzzles, das letztlich zu einem
hart erkämpften 26:24-Erfolg führte.
Am Montag bestreitet das
DHB-Team sein drittes Gruppenspiel.
Gegner ist um 17.30 Uhr (live in RTL) die Mannschaft Algeriens.
(Christian Robohm)
In den beiden weiteren Spielen der
Gruppe C schlug Mazedonien den kommenden
Deutschland-Gegner Algerien klar mit 32:19 (16:8), Polen besiegte Russland mit 24:22 (11:14).
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Heiner Brand gegenüber den KN:
Wir haben über die Verbesserung in der Abwehr
zu unserem Spiel gefunden, außerdem haben wir im
Angriff geduldiger gespielt und uns besser bewegt. Michael
Kraus hat zwar noch nicht seine Sicherheit zurück, aber
er hat das Tempo in unser Spiel gebracht, das bisher fehlte.
Martin Strobel gegenüber den KN:
Das war der Lohn für unseren Teamgeist,
wir haben fest an uns geglaubt.
Die letzten zehn Minuten aus dem Russland-Spiel haben wir uns heute
zu Beginn genommen. Aber dann sind wir gut ins Spiel gekommen.
Pascal Hens gegenüber den KN:
Gegen die Russen haben wir besser gespielt, heute
haben wir gewonnen, so einfach ist das manchmal. Wir haben
uns gegenseitig nach vorne gepeitscht.
Holger Glandorf gegenüber den KN:
Es gibt Phasen, da treffe ich das Tor von
der Kabinen-Toilettentür aus, und dann gibt es welche, wie
zuletzt, in denen mir kaum etwas gelang. Ich bin erleichtert,
das gibt Selbstsicherheit.
Tunesien:-
Missaoui (1 Minute, 2 Paraden),
Magaiez (59 Minuten, 19 Paraden);
Hedoui (2),
Tej (2),
Touati (3/2),
Hammed (9),
Hadjahmed,
W. Ben Amor,
Bousnina (1),
Gharbi,
Mgannem (4),
Ayed (3/2)
M. Ben Amor,
Kraiem (n.e.);
Trainer: Chigarev
Deutschland:-
Bitter (14 Minuten, 3 Paraden),
Lichtlein (46 Minuten, 10 Paraden);
Hens (6),
Roggisch,
Klein (1),
Müller (3),
Strobel (1),
Preiß (5),
Tiedtke (n.e.),
Glandorf (4),
Jansen (2/2),
Kraus (3),
Kaufmann (n.e.),
Schröder (1);
Trainer: Brand
- Schiedsrichter:
-
Opava / Valek (CZE)
- Zeitstrafen:
-
Tunesien: 7;
Deutschland: 6 (2x Roggisch, Preiß, Hens, Klein, Schröder)
- Rote Karten:
-
Tunesien: Tej (3. Zeitstrafe (59.));
- Siebenmeter:
-
Tunesien: 7/4 (Bitter hält 2x, Lichtlein 1x);
Deutschland: 5/2 (Missaoui hält 2x Jansen, Magaiez hält Kraus)
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 4:1 (5.), 7:3 (10.), 9:5 (15.), 10:7 (20.), 10:10 (25.), 12:12;
2. Hz.: 15:14 (35.), 16:16 (40.), 18:18 (45.), 20:21 (50.), 23:25 (55.), 24:26.
- Zuschauer:
-
3000 (Gradska dvorana, Varazdin (CRO))
Aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2009:
Handbremse musste erst gelöst werden
DHB-Team gegen Tunesien mit erstem Sieg
Varazdin - Es war ein
Spiel mit den Nerven und eines gegen einen Gegner,
der Handball zerstören und nicht spielen wollte.
Weltmeister Deutschland bestand die erste ernsthafte
WM-Prüfung, besiegte
Tunesien mit 26:24 (12:12) und machte das Tor
zur Hauptrunde einen Spalt weit offen.
Das erste WM-Wochenende
schloss die im Kern verjüngte DHB-Auswahl also mit 3:1
Zählern sehr ordentlich ab. Heute steigt das dritte Spiel
in der Gruppe C, Gegner in der Halle des Sports von Varazdin
ist Außenseiter Algerien (17.30 Uhr, live bei RTL).
Alles andere als ein klarer Sieg vor dem Ruhetag am
Dienstag wäre schlicht nicht vorstellbar - Deutschland ist
im WM-Turnier angekommen.
"Ich bin froh, gewonnen zu haben", sagte Bundestrainer
Heiner Brand nach harter Handball-Arbeit und atmete
tief durch. Ihm sei klar gewesen, dass es gegen diesen Gegner
ein enges Spiel werden würde. "Bis kurz vor Schluss
war alles möglich." Die Anspannung
fiel gleich nach dem Schlusspfiff von allen
Spielern ab. Dominik Klein war mit seinem letzten Wurf
zwar gescheitert, stand aber schnell im Mittelpunkt der
kurzen Feierlichkeiten. "Die Handbremse ist gelöst", jubelte
der Kieler. Alle Spieler tanzten vor Freude, fielen
sich in die Arme und bedankten sich artig bei den rund 300
Fans, die die weite Reise aus Deutschland angetreten haben.
Das Team aus Nordafrika war stets ein unangenehmer
Spielpartner, vor Jahren "nervten" die Tunesier ihre
europäischen Kontrahenten mit einer völlig offensiven,
unorthodoxen Deckung. Diese haben sie mit Hilfe europäischer
Trainer abgelegt, doch auch unter dem Kroaten Zoran Zivkovic üben sie weiter
ihren "schmutzigen" Handball aus. Die Bilanz von
Klammern, Schlagen, Kratzen fiel unter den Augen der
gnädigen tschechischen Schiedsrichter Opava/Valek mit sieben Zeitstrafen und
"Rot" für den schlimmsten
Foulspieler, Issam Tej, (57., 3. Zeitstrafe) viel zu milde aus.
Deutschlands junge Garde ließ sich allerdings nur in der Anfangsphase
den Schneid abkaufen, legte mit dem 1:6 nach acht Minuten einen
furchtbaren Fehlstart hin und zwang Brand förmlich
zur ersten Auszeit. Auch ohne ihren Torjäger und Abwehr-Riesen Wissem Hmam, der
mit gebrochener Hand in Montpellier geblieben war,
schlossen die Afrikaner jeden Angriff erfolgreich ab. Torhüter
"Jogi" Bitter, am Tag zuvor gegen die Russen noch
Matchwinner, bekam keine Hand an den Ball. Brand
brachte den Lemgoer Carsten Lichtlein, und als sein angeschlagener
Clubkollege Michael Kraus endlich seinen
WM-Dienst ab Minute 16
aufnehmen durfte, nahm das deutsche Spiel langsam Fahrt
auf.
Kraus war es auch, der in der 24. Minute zum 10:10 ausglich.
Die erste Führung, der jetzt auch in der Abwehr immer
fester zupackenden Deutschen, brachte Pascal
Hens gleich nach Wiederanpfiff zum 13:12 im von Magaiez
glänzend gehüteten Tor unter. Fortan bewegte sich
die deutsche Sieben zwar weiter auf dünnem Eis, gab
das Spiel aber nicht mehr aus den Händen, und als Sebastian Preiß
mit seinem fünften
Tor zum 26:23 vollendete, war der Sieg in trockenen Tüchern.
"Ein echter Kraftakt", stöhnte Dominik Klein. "Einer,
der sich gelohnt hat", ergänzte Michael Kraus.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2009)
Aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2009:
KN-WM-Splitter
Jubiläum - Holger Glandorf
ist dem "Club der Hunderter" beigetreten. Der Noch-Nordhorner
absolvierte gegen Russland sein 100. Länderspiel und
zählt endgültig zum Kreis der Etablierten. Er sei doch ein
wenig stolz, berichtete der 25-Jährige, der allerdings nur in
der Anfangsphase überzeugte, eine Wurfquote von 3/11 bilanzierte
und später das Feld für den jungen Michael Müller
räumen musste. Gut möglich, dass Glandorf seinen Kopf wegen
der Wechselgerüchte noch nicht frei hat. "Zu einem
Transfer äußere ich mich erst nach der WM", stellte er klar
und nannte keine Namen. Nur: "Ich habe bisher nichts unterschrieben."
Als kommende Adressen werden TBV Lemgo,
die Rhein-Neckar Löwen und der THW Kiel gehandelt.
Headset - Die Schiedsrichter
durchlaufen bei der WM eine Testphase mit "headsets". Dabei
kommuniziert das Duo während des Spiels untereinander,
ist aber auch mit dem Kampfrichtertisch verbunden.
Das Kampfgericht hört indes nur mit und ist nicht weisungsberechtigt.
Ob die Technik Zukunft hat, entscheidet
Schiedsrichter-Kommission des Welthandball-Verbandes
(IHF). Der Ball mit elektronischer Toranzeige ist aus dem
Testprogramm gestrichen worden.
WM-Pokal - Zwei Jahre hatte
der WM-Pokal, eine 20 Kilogramm schwere, engelsgleiche
Plastik, sein Zuhause Deutschland und verbrachte
die Zeit zumeist in der Vitrine der DHB-Zentrale. Nach dem
WM-Triumph 2007 in Köln übernachtete das gute Stück
bei Betreuer Tom Schneider, der dafür sorgte, dass die Plastik
in den Wirren der Jubelfeiern nicht in falsche Hände geriet.
Schneider war jetzt auch für den Transport nach Kroatien
zuständig. Der Umzug wurde prominent per Erste-Klasse-Flug vollzogen und
landete nach einigen Diskussionen mit Flughafen-Sicherheitsdiensten
wohlbehalten beim aktuellen WM-Gastgeber.
Merkbuch - Die 36. Minute beim deutschen WM-Start gegen Russland
wird HSV-Torhüter "Jogi" Bitter in seinem
Karriere-Merkbuch festhalten. "Das vergesse ich nie",
sagte er über den Faux-Pax nach einem Weitwurf von Rastvortzew fast von der Mittellinie.
Es war ein Ball zum Fangen. Das wäre Deutschlands
Torhüter, der später zum "Mann des Spieles" gekürt
wurde, auch fast gelungen. Pech nur, dass der Ball ihm
durch die Finger glitt. Von dort tropfte er auf den Boden und
kullerte zum eigenen Entsetzen und dem der Mitspieler
durch die Beine als Marke "Eigentor" zum 16:16 ins Tor.
"Selten dämlich", kommentierte die deutsche Nummer
eins sein Missgeschick, das er aber mit zahlreichen Glanztaten
locker kompensierte.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2009)