Die deutsche Handballnationalmannschaft ist bei der
Weltmeisterschaft in Kroatien mit einem Unentschieden in die
Hauptrunde gestartet. Nach einer Leistungssteigerung
im zweiten Durchgang erkämpfte sich die DHB-Auswahl gegen Serbien ein leistungsgerechtes
35:35 (16:19)-Remis und kann somit weiterhin vom Halbfinaleinzug träumen. Bester
Torschütze beim Titelverteidiger war
Torsten Jansen mit 10/1 Treffern,
Dominik Klein war zweimal erfolgreich.
Nach ausgeglichener Anfangsphase konnten sich die Serben schnell einen kleinen
Vorsprung herauswerfen. Während das deutsche Angriffsspiel durch die Manndeckung
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Michael Kraus erzielte sechs Tore.
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gegen Pascal Hens ein wenig stockte, zeigte Serbien, dass das Team mehr als nur
Gummersbachs
Momir Ilic zu bieten hatte: Alle Rückraumspieler strahlten gegen eine
allerdings unaufmerksame deutsche Deckung Torgefahr aus, zudem bekamen auch die
bislang starken Keeper kaum eine Hand an den Ball. Als der nachnominierte und
gegen Mazedonien und Polen stark auftrumpfende Rechtsaußen Christian Schöne einige
Male scheiterte und selbst einen Gegenstoß nicht ins Tor unterbrachte, konnte
Serbien Mitte des ersten Durchgangs durch konsequente Chancenausnutzung den
Vorsprung sogar bis auf sechs Treffer (8:14, 18.) ausbauen.
Heiner Brand reagierte nun und stellte seine Abwehr um: Lars Kaufmann rückte neben
den Mittelblock, später versuchte sich
Dominik Klein
kurzzeitig als Zerstörer im serbischen Aufbauspiel. Tatsächlich stockte das
Spiel der Serben nun, während Deutschland vor allem durch den starken
Torsten Jansen
und den in dieser Phase für den enttäuschenden Holger Glandorf spielenden Michael
Müller bis auf drei Treffer verkürzen konnte. Auch Johannes Bitter, der früh durch
den ebenfalls glücklosen Carsten Lichtlein ersetzt wurde, konnte sich endlich einmal
auszeichnen, entschärfte gleich zwei Gegenstöße und verhinderte somit das 20. Gegentor
vor der Pausensirene.
Nach dem Seitenwechsel sollte erneut die deutsche Aufholjagd starten, doch bis
zur 37. Minute konnte Serbien den Titelverteidiger noch auf Distanz halten.
Torsten Jansen und Michael Kraus rissen nun aber die Partie an sich, verkürzten durch je
einen Treffer auf 21:22 - und als Holger Glandorf kurz darauf endlich sein zweites
Tor erzielte, war der Gegner endlich gestellt. Die deutschen und auch die kroatischen
Handballfans in der nur halb gefüllten Halle peitschten das Team von Heiner Brand nun
nach vorne, und nachdem
Preiß die erste deutsche
Führung gelang, Martin Strobel mit zwei schönen Treffern nachlegte und auch
Unglücksrabe Christian Schöne endlich sein Tor gelang, schien Deutschland nach 44
Minuten beim Stand von 27:25 dem fünften Sieg im Folge entgegen zu eilen.
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Es war eine harte Partie:
Hier erhält Lars Kaufmann einen
Schlag ins Gesicht.
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Jedoch verfiel die deutsche Deckung nun wieder in die Lethargie des ersten
Durchgangs und ermöglichte einfache Tore durch Sesum,
Vujin und zweimal
Markovic. Kraus, Schöne und Glandorf hingegen vergaben vorne, so dass Serbien
wieder die Führung übernahm. Wieder war es Martin Strobel, der Deutschland
mit seinem dritten Treffer ins Spiel zurückbrachte, ehe
Dominik Klein
nach einem Steal per Gegenstoß den erneuten Ausgleich zum 32:32 herstellte.
In einer dramatischen Schlussphase ließ nun bei beiden Teams ein wenig
die Konzentration nach, die rasanten 55 Minuten zuvor forderten via Ballverlusten
und technischen Fehlern ihren Tribut. Dennoch sicherte sich Deutschland
einen großen Vorteil: Michael Kraus brachte seine Mannschaft mit seinem
sechsten Treffer mit 34:33 in Führung, Serbiens Kreisläufer Nikolic
kassierte eine fragwürdige Zeitstrafe,
Torsten Jansen verwandelte einen
Strafwurf zum 35:33. Doch
Vujin und Bojinovic schafften doch noch die
nicht unverdiente Punkteteilung.
Im zweiten Spiel der Gruppe II besiegte Norwegen die Mannschaft
Mazedoniens mit 29:27 (16:13). Im dritten Spiel des Tages schlug Polen Europameister
Dänemark mit 32:28 (20:12). Die deutsche Mannschaft trifft am Sonntag auf Norwegen, RTL überträgt
ab 17.30 Uhr live. Mit einem Sieg gegen die Skandinavier könnte man vorzeitig den Halbfinaleinzug
perfekt machen.
(Sascha Krokowski)
- Deutschland:
-
Bitter (1.-10., 24.-47., 6 Paraden),
Lichtlein (10.-24., 47.-60., 4 Parade);
Hens (2),
Roggisch,
Klein (2),
Müller (3),
Strobel (3),
Preiß (3),
Tiedtke (1),
Glandorf (4),
Jansen (10/1),
Kraus (6),
Schöne (1),
Kaufmann;
Trainer: Brand
- Serbien:
-
Stanic (18 Minuten, 5/1 Paraden),
Pejanovic (42 Minuten, 13/1 Paraden);
Kojic,
Curuvcija,
Sesum (5),
Vujin (4),
Vuckovic,
Stojanovic (4),
Toskic (3),
Ilic (5/2),
Bojinovic (8/1),
Markovic (5),
Prodanovic,
Nikolic (1)
- Schiedsrichter:
-
Lazaar / Reveret (Frankreich)
- Zeitstrafen:
-
Deutschland: 4 (Glandorf (12.), 2x Roggisch (16.,60.), Preiß (36.));
Serbien: 4 (2x Kojic (4.,21.), Toskic (31.), Nikolic (58.));
- Rote Karten:
-
Serbien: Nikolic (60.)
- Siebenmeter:
-
Deutschland: 3/1 (Jansen (34.) und Kraus (46.) gehalten);
Serbien: 3/3
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2, 2:5 (6.), 3:5, 3:6, 4:6, 4:7, 5:7, 5:8,
6:8, 6:10 (13.), 7:10, 7:12, 8:12, 8:14 (18.), 9:14, 9:15,
10:15, 10:16 (22.), 13:16 (25.), 13:17, 14:17,
14:18, 15:18, 15:19, 16:19;
2. Hz.: 17:19, 17:20, 18:20, 18:21, 19:21, 19:22 (37.),
22:22 (40.), 22:23, 24:23, 24:24, 26:24, 26:25, 27:25 (44.),
27:29 (48.), 28:29, 28:30, 29:30, 29:31, 31:31 (52.),
31:32, 33:32, 33:33, 35:33 (59.), 35:35.
- Zuschauer:
-
4500 (Sports Center Visnjik, Zadar (CRO))
Aus den Kieler Nachrichten vom 26.01.2009:
WM als politisches Pulverfass
In der nationalistischen Hochburg Zadar wird die Anwesenheit des serbischen Teams zum Problem
Zadar - Das kroatische Zadar, in eine Halbinsel der
Adria eingebettet, gilt als Hochburg des heimischen
Nationalismus. Hintergrund sind die Kriegshandlungen
zu Beginn der 90er Jahre, die Stadt wurde monatelang
von Serben belagert, ausgehungert und beschossen,
viele Menschen fanden den Tod. So hat sich
hier der Hass gegen den Nachbarn angesiedelt und
ist längst nicht verraucht. Dass der Handball-Weltverband
(IHF) den serbischen Handballern trotzdem zumutet, in dieser
Stadt zu spielen, zeugt von wenig Fingerspitzengefühl.
Das hat Folgen. So sind im Vorfeld der Partie gegen
Deutschland (35:35) sämtliche Fahnen aller 24 Teilnehmer
aus dem Stadtbild entfernt worden - nicht vom
Mob, sondern auf Anweisung des Bürgermeisters. Die Bewohner
wollten keine serbischen Farben sehen, also ließ
das Stadtoberhaupt die offiziellen Nationalsymbole aller
Länder entfernen.
Der Spießrutenlauf für die Handballer begann in der
Nacht zu Sonnabend. Zunächst verunsicherte eine
Bombendrohung nicht nur das serbische Team, sondern
sämtliche sechs Hauptgruppen-Mannschaften, die im
Spieler-Hotel untergebracht sind. Man sei sehr beunruhigt
gewesen, erzählte Momir Ilic, serbischer Torjäger vom Bundesligisten
VfL Gummersbach. In den Schlaf wäre er ohnehin kaum gekommen,
weil vor den Hotelfenstern Krachmacher einen extrem
hohen Lärmpegel angezettelt hätten. Weitere Unannehmlichkeiten:
Den Spielern sei es, laut Ilic, während des gesamten
Aufenthalts verboten, ihr Hotel alleine zu verlassen.
Dafür bringt der Gummersbacher Verständnis auf.
"Wenn wir auf der Straße erkannt werden, weiß keiner,
was geschieht." Raus kommen die Handballer nur mit aufwendiger
Begleitung von Sicherheitskräften. Sind sie mit
dem Bus unterwegs, werden sie stets von sechs Polizeiwagen
eskortiert.
Miserable Voraussetzungen also, um ein "normales" WM-Spiel
zu bestreiten. Trotzdem hatten sich rund 30 serbische
Schlachtenbummler in die von Medien und kroatischen
Fans angekündigte "Hölle" der Sporthalle von Zadar getraut,
um das Team gegen Deutschland anzufeuern. Sie waren hinter
dem rechten Tor unters Hallendach zusammengepfercht worden,
eingerahmt von mindestens ebenso vielen Ordnungskräften. Vier
Fahnen wurden geschwenkt, eine kleine Blaskapelle mühte
sich, der Mannschaft den Marsch im ersten Hauptrundenspiel
gegen Deutschland zu blasen.
Es war ein verlorenes, kleines Häufchen, 4500 gegnerische
Fans bildeten das Gegengewicht, darunter 400 "echte"
deutsche. Aber es kam anders: Der deutsche Fehlstart ins
Spiel ließ die ungewohnte kroatische Unterstützung
verstummen, serbische Fangesänge füllten die Arena.
Sechs Tore hatten die Serben bis zum 16:10 in der 23. Minute
vorgelegt, Sand im Getriebe gab es nur im deutschen Spiel,
die Abwehr stand Spalier, kaum Torhüterparaden, Rechtsaußen
Christian Schöne erwischte mit einer 1/12-Quote einen rabenschwarzen
Tag, und bis auf Torsten Jansen (10 Tore) versagten fast alle
Systeme. "Der Druck auf uns hat uns nur noch stärker
gemacht", erklärte Momir Ilic. Und: "Wir wollten für unsere
Fans und für unser Vaterland kämpfen. Wir sind sehr
stolz darauf."
Der zähe Gegner aber besann sich auf seine Kampfkraft
und Unbeugsamkeit, robbte sich heran und führte
fünf Sekunden vor dem Abpfiff sogar mit 35:34. Den
deutschen Sieg vereitelte dann Mladen Bojinovic mit einem
Wurf in die rechte untere Ecke. Auch diesem Torschützen
wurde die Anerkennung durch den Hallensprecher verweigert,
sein Name wurde wie der aller serbischen Torschützen
verschwiegen.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 26.01.2009)