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25./26.01.2011 - Letzte Aktualisierung: 26.01.2011 WM 2011

Deutscher Totalschaden nach Debakel gegen Norwegen

Ratlos, hilflos: Heiner Brand wird in den kommenden Wochen viel Kritik aushalten müssen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Ratlos, hilflos: Heiner Brand wird in den kommenden Wochen viel Kritik aushalten müssen.
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat sich mit einem Debakel aus der Handball-Weltspitze verabschiedet: Zum Abschluss der Hauptrunde bei der Handball-Weltmeisterschaft in Schweden verlor die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand mit 25:35 (13:17) gegen Norwegen und verpasste damit auch noch ihr Minimalziel deutlich. Plan- und hilflos vergab die DHB-Mannschaft die vor der Partie noch mögliche Qualifikation für die Olympia-Ausscheidungsspiele. Nach der Frauen-Nationalmannschaft werden nun aller Voraussicht nach auch die Herren bei den Olympischen Spielen 2012 in London fehlen. Um sich noch für London zu qualifizieren, müssten die Deutschen 2012 Europameister werden ...
Bundestrainer Heiner Brand hatte auf die peinliche Vorstellung der Deutschen am Vortag beim 25:27 gegen Ungarn reagiert: Die völlig indisponierten Hens und Kraus durften zu Beginn zuschauen, außerdem durfte Dominik Klein nach den vielen überzeugenden Leistungen bei der Weltmeisterschaft endlich einmal von Beginn an auf die Platte.

Die Deutschen wollten mit einer 5-1-Deckung die Norweger früh stören und so zu Torerfolgen kommen. Ein guter Plan, wenn im Kasten der Skandinavier nicht mit Steinar Ege der frisch gebackene norwegische Rekordnationalspieler gestanden hätte: Dieser war von Beginn an im Geschehen, und kaufte Rechtsaußen Sprenger zwei frei Bälle ab. Gleich reihenweise schnappte sich Ege die unvorbereiteten Kaufmann-, Haaß- und Glandorf-Würfe aus dem Rückraum. Trotzdem gehörte der Halbrechte noch zu den aktiveren Deutschen in der Anfangsphase: Nach einem frühen Zwei-Tore-Rückstand führte er die Deutschen beim 3:5 und 6:7 (13.) immer wieder heran, Sprengers Tempogegenstoß brachte wenig später sogar den 8:8-Ausgleich (18.). Norwegens Trainer Hedin reagierte mit einer Auszeit, Brand brachte Hens und Kraus ins Spiel. Doch die Musik spielte einmal mehr auf der anderen Seite: Der oftmals völlig freistehende Myrhol und Tvedten mit einem Siebenmeter in Unterzahl sorgten für das 10:8, Sprenger verkürzte, doch der wurfgewaltige Rambo sorgte noch immer in Unterzahl für das 11:9, dem Rechtsaußen Paulsen, nachdem Ege einen Hens-Wurf festgehalten hatte, das 12:9 folgen ließ (22.). Zwar konnte Preiß noch einmal kontern, dann machten die Norweger drei Treffer innerhalb von zwei Minuten. Beim Stand von 10:14 zog Brand die Grüne Karte, forderte eindringlich zu einem besseren Rückzugsverhalten auf. Was passierte, war das 10:15 durch Tevdten nach einem kapitalen Kraus'-Fehlpass. Der machte in Überzahl daraufhin zwar zwei Tore, aber der nicht gerade groß gewachsene Linksaußen Tevdten traf mit der Pausensirene aus dem Rückraum (!) zum 13:17.

Der Einsatz stimmte - zumindest bei Dominik Klein, der hier allerdings gegen Börge Lund das Nachsehen hat.
Klicken Sie zum Vergrößern! Der Einsatz stimmte - zumindest bei Dominik Klein, der hier allerdings gegen Börge Lund das Nachsehen hat.
Den wenigen verbliebenen deutschen Fans in Jönköping schwante bereits Böses, als die deutsche Mannschaft mit hängenden Köpfen auf die Platte zurückkehrte. Was sie dann aber zu sehen bekamen, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen aber noch bei Weitem. Ohne Kampf, ohne Einsatz und ohne erkennbares Spielsystem ergab sich die deutsche Mannschaft ihrem Schicksal und warf so auch noch die letzte Möglichkeit weg, die Weltmeisterschaft zu einem einigermaßen versöhnlichen Ende zu bringen. An der Seitenlinie agierte Brand genauso hilflos wie seine Spieler: Selbst die Torhüter, bisher einzige gute Konstante in Schweden, konnten an diesem Tag das Debakel nicht verhindern. Ohne Gegenwehr kassierte die DHB-Auswahl aus dem Rückraum einen Treffern nach dem nächsten von dem 21-jährigen Rambo, wenn dieser nicht traf, setzte sich zumeist Myrhol in Szene. Die vielen Gegenstöße nach Ege-Paraden verwandelten zumeist Paulsen und Tvedten sicher. Allein Rambo, Tvedten und Myrhol erzielten zusammen 22 Treffer - und so konnten die deutschen Spieler nur noch einmal lächeln: Preiß hatte zu unrecht in der 42. Minute die Rote Karte wegen der dritten Zeitstrafe erhalten und schon auf dem Stuhl für Hinausgestellte Platz genommen. Symptomatisch: Proteste gegen diese Rote Karte gab es keine. Dann jedoch bemerkte das Kampfgericht, dass Pfahl und nicht Preiß in der 38. Minute eine Zeitstrafe kassiert hatte, der Lemgoer Kreisläufer durfte wieder mitwirken und noch einige Chancen vergeben.

Christian Sprenger gehörte bei der WM zu den wenigen Lichtblicken im deutschen Team.
Klicken Sie zum Vergrößern! Christian Sprenger gehörte bei der WM zu den wenigen Lichtblicken im deutschen Team.
Zu diesem Zeitpunkt stand es 18:23 (41.), sechs Minuten später brachen bei den Deutschen endgültig alle Dämme: Von 26:19 (47.) setzten sich die bisher ebenfalle enttäuschenden Norweger über 30:31 (51.) bis auf 33:22 (55.) ab, lediglich Sprenger konnte mit zwei Toren in der Schlussphase noch ein wenig Kosmetik betreiben. Als Ege dann mit seiner insgesamt 22. Parade einen Tempogegenstoß von Gensheimer parierte und Koren per Tempogegenstoß den 35:25-Endstand markierte, wollten die deutschen Spieler so schnell wie möglich weg vom Ort der Schmach.

Aschfahl trat Heiner Brand nach dem Spiel vor die Presse. "Das tut alles sehr weh", sagte der Bundestrainer, der nun wohl auch in das Zentrum der Kritik gerückt werden wird. "Letztlich entspricht unsere heutige Leistung der Entwicklung seit gestern. Die erste Halbzeit war halbwegs ok, aber wir haben unsere Chancen nicht genutzt. Zudem hat Ege gut gehalten. Heute waren auch unsere Torhüter nicht so gut, in der zweiten Halbzeit gab es kein richtiges Aufbäumen, keinen Kampf. Das ist sehr, sehr Bitter." So etwas, so Brand, habe er noch nie erlebt. "Bei den Turnieren in der Vergangenheit war meistens wenigstens eine andere Gegenwehr und eine größere Zweikampfstärke zu sehen."

Nun spielt die deutsche Mannschaft um Platz elf.

(Christian Robohm)

 

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.

Gruppe I, 2. Spieltag: 25.01.11, Di., 16.15: Deutschland - Norwegen: 25:25 (13:17)

Flagge GER Deutschland:
Bitter (27.-46., 54.-60., 4 Paraden), Heinevetter 1.-27., 46.-54., 4 Paraden); Hens (1), Gensheimer, Roggisch, Klein, Pfahl (4), Preiß (3), Heinl, Glandorf (4), Christophersen, Kraus (6/1), Sprenger (4), Kaufmann (4), Haaß, Groetzki; Trainer: Brand
Norwegen:
Ege (1.-60., 22 Paraden), Erevik (n.e.); Hippe, Löke, Björnsen, Myrhol (7), Lund, Tvedten (8/2), Mamelund (1), Rambo (7), Hansen (3), Kjelling (3), Paulsen (4), Skoglund, Koren (2), Tangen; Trainer: Hedin
Schiedsrichter:
Stark / Stefan (Rumänien)
Zeitstrafen:
Deutschland: 5 (Roggisch (30.), 2x Preiß (35., 42.), Pfahl (38.), Haaß (51.));
Norwegen: 6 (2x Kjelling (19., 28.), Koren (26.), 2x Myrhol (39., 56.), Hippe (60.))
Siebenmeter:
Deutschland: 1/1;
Norwegen: 4/2 (Bitter hält 2x Tvedten (27., 42.))
Spielfilm:
1. Hz.: 0:1, 1:1 (3.), 2:2, 2:4 (7.), 4:6 (10.), 5:7, 6:8, 8:8 (18.), 8:10 (20.), 10:12 (23.), 10:15 (25.), 11:16, 13:16 (30.), 13:17;
2. Hz.: 14:17, 15:18 (33.), 15:20 (33.), 17:22 (38.), 19:24 (45.), 19:26 (47.), 21:28 (49.), 21:31 (52.), 22:33, 25:34, 25:35.
Zuschauer:
4205 (Kinnarps Arena, Jönköping (SWE))

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2011:

WM-Desaster ist perfekt

Deutsche Handballer verpassen nach 25:35 gegen Norwegen die Olympia-Qualifikation
Jönköping. Wie fühlt sich Leere an? Wie Ratlosigkeit? Die deutsche Nationalmannschaft hat Antworten. Nach dem peinlichen 25:35 (13:17) gegen Norwegen spielt das Team von Heiner Brand morgen (18 Uhr) in Kristianstad gegen Argentinien nur um Platz elf.

Nach dem Ungarn-Spiel tags zuvor schien der Keller erreicht. Tiefer konnten diese 16 Spieler, die offenbar kein Team werden können, nicht fallen. Ein Irrtum. Den Norwegern, mit null Punkten Letzter dieser Hauptrunden-Gruppe, genügte die schlichte Handballschule, um einen völlig verschreckten Gegner zu demütigen. "Nein, so einfach hatten wir es uns nicht vorgestellt", sagte Frank Löke, Kreisläufer des Bundesligisten TuS N-Lübbecke. Gegen Deutschland hätten sie noch einmal zeigen wollen, dass sie Charakter haben, eine Mannschaft sind. Sie wäre es in diesem Turnier anfangs nicht gewesen, jeder hätte für sich gespielt. Aber sie wären eine geworden. "Wir wollten die WM mit erhobenem Kopf verlassen."

Das wird den Besiegten nicht mehr gelingen. Von Beginn an war Norwegen das bessere Team. Auch, weil Steinar Ege einen guten Tag erwischte. Der 38-Jährige, einst in Diensten des THW Kiel, hatte am Sonnabend gegen Spanien sein 255. Länderspiel absolviert und Jan Thomas Lauritzen als Rekordhalter abgelöst. Die Deutschen beschenkten den "Oldie", 60 Minuten lang. Immer wieder schlossen sie überhastet ab, versuchten, den Abwehrriegel in der Mitte zu knacken. An seiner härtesten Stelle. Die Außen liefen wie so oft in diesen denkwürdigen Tagen nur mit, um Abpraller einzusammeln. Es waren nicht viele. Ege wehrte 21 Bälle ab, erreichte eine Quote nahe der 50-Prozent-Marke. Ihm wird das Spiel gefallen haben.

"Das sind sehr bittere Tage", sagte ein sichtlich ratloser Brand, der zunächst auf Pascal Hens und Michael Kraus verzichtet hatte. Doch die Verunsicherung hat sich mittlerweile so tief eingegraben, dass keiner mehr in der Lage ist, den Karren noch zu bewegen. Hoffnung gab es noch einmal in der 41. Minute. Die Deutschen lagen mit fünf Toren zurück (18:23), als Johannes Bitter einen Siebenmeter und den Nachwurf des starken Linksaußen Harvard Tvedten parierte. Dann nahmen die Unparteiischen eine Rote Karte gegen Sebastian Preiß zurück, dem offenbar auch entgangen war, dass er erst seine zweite Zeitstrafe bekommen hatte. Eine Szene, die gut ins Bild passte, das die deutsche Mannschaft abgab. Preiß zurück, Deutschland im Ballbesitz und dann die Erkenntnis, dass Hoffnungen sich innerhalb von Sekunden auflösen können.

"Das ist eine der größten Enttäuschung in meiner Karriere als Nationalspieler", sagte Kiels Christian Sprenger. "Ich habe keine Erklärung." Sie hätten unbedingt gewinnen wollen, um einen Schritt in Richtung Olympia 2012 zu machen. "Das ist uns eindeutig nicht gelungen." Wer in Schweden die Plätze zwei bis sieben belegt, darf an drei Qualifikationsturnieren teilnehmen. Ein Sieg am Montag gegen harmlose Ungarn, und die Deutschen hätten Siebter werden können. Geschichte.

"Hotti" Bredemeier, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, stellte sich anschließend schützend vor Brand. "Angesichts seiner Verdienste ist eine Trainerdiskussion unwürdig."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2011)


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