12.06.2012 | Champions League |
Triple 2012! |
"Das ist die beste Mannschaft, die ich je trainiert habe", rühmte der 52-Jährige seine Spieler nach dem Triumph vor 20.000 Fans in der wogenden Lanxess Arena, die mehrheitlich die "Zebras" angefeuert hatten. Er rühmte seine Profis im Moment des Triumphes für die große Entschlossenheit und für die "Neugier, sich ständig zu verbessern".
Diese Neugier wurde befeuert durch die Schmach der letzten Saison, als der THW nach sechs Meisterschaften in Folge "nur" Vizemeister geworden war. "Wir haben zwar zwei Titel gewonnen, aber wir haben schon früh keine Chance mehr auf die Meisterschaft und die Champions League gehabt", sagte Torhüter Thierry Omeyer. "Da haben wir uns geschworen, dass wir in dieser Saison bis zum Ende dabei sein wollten." Der Franzose war im Finale mit seinen Reflexen der wichtigste Baustein für den dritten Kieler Triumph in der "Königsklasse", nach der Pause hatte er förmlich das Kieler Tor verbarrikadiert.
Natürlich ist der Kader des THW exquisit. Aber das Erfolgsgeheimnis besteht auch darin, dass die Kieler das Ideal einer perfekten Mannschaft verkörpern, "14 Freunde müsst Ihr sein!", könnte das Motto der THW-Profis lauten. Selbstredend gab es auch an diesem Finalwochenende Profis, die dem Spiel des THW ihren Stempel aufdrückten. Kapitän Marcus Ahlm, die leise, allseits akzeptierte Führungsfigur aus Schweden. Filip Jicha, die tschechische Allzweckwaffe, die in den entscheidenden Phasen Verantwortung übernimmt. Daniel Narcisse, der französische Regisseur mit der sagenhaften Sprungkraft. Kim Andersson, der Linkshänder mit dem Bums und den genialen Pässen aus dem rechten Rückraum. Und selbstredend Torwart Thierry Omeyer, der Torwart mit dem Ehrgeiz, der an eine Obsession grenzt.
Aber wie gut dieses Team tatsächlich funktioniert, war am Finaleinsatz des tschechischen Abwehrspezialisten Daniel Kubes zu sehen, der lange Wochen kaum gespielt hatte. Solche Beispiele hatte es schon häufiger gegeben. Torwart Andreas Palicka hatte starke Auftritte, als Omeyer etwas schwächelte. Linksaußen Henrik Lundström sprang in die Bresche, als Dominik Klein in ein Formtief gefallen war. Und Gislason lobte auch Christian Zeitz dafür, dass er in der Abwehrarbeit hervorragende Drecksarbeit geleistet habe, die viele nicht zu würdigen wüssten. "Das ist das, was uns auszeichnet", sagt Marcus Ahlm. "Jeder weiß, was zu tun ist."
Neben Gislason musste der THW auf die verletzten Aron Palmarsson, Henrik Lundström und Kim Andersson verzichten. Letzterer übernahm mit Daniel Kubes im mit 3000 Zuschauern gut gefüllten "Varosi Sportcsarnok" als Doppelspitze das Traineramt. "Wir sind wahrscheinlich das größte Trainer-Duo aller Zeiten", sagte Kubes, wie Andersson zwei Meter lang. Dem Tschechen war releativ schnell aufgefallen, dass die 3:2:1-Deckung nicht die gewohnte Stabilität hatte, deshalb regte er in einer Art Gesprächskreis eine Umstellung auf die 6:0-Deckung an.
"Das haben sie zu richtigen Zeit gemacht", lobte Gislason, der sich auf einen Sitz unter dem Hallendach zurückgezogen hatte, weil ihm jeder Kontakt mit seinem Team verboten worden war. Und Andersson? "Ich war Trainer des THW, mehr kann ich in dieser Funktion nicht mehr erreichen." In der Halbzeit hätte es diesmal keine Besprechung gegeben, jeder durfte der Reihe nach seine Meinung sagen. "Ich bin ja kein Diktator", sagte Andersson.
Nach der Pause war vor allem der überragende William Accambray nicht mehr zu stoppen, der nun sechs seiner acht Tore erzielte. Das Kraftpaket warf Sekunden vor dem Abpfiff auch den 24. Treffer. Die Kieler, die erneut auf Aron Palmarsson und Henrik Lundström verzichten mussten, verspielten eine Fünf-Tore-Führung und trafen in der zweiten Halbzeit nur neunmal.
"Montpellier hat verdient gewonnen", sagte Alfred Gislason, dessen Mannschaft im Angriff eine ungewohnte Fehlerquote an den Tag legte und immer wieder am starken Primoz Prost scheiterte. "Wir haben ihn heute zum weltbesten Torhüter gemacht", sagte Kim Andersson. "Aber noch ist nichts passiert." Er sollte Recht behalten.
Die Gastgeber mussten auf Marcus Ahlm (Knieverletzung) und Christian Zeitz verzichten, den eine Magen-Darm-Grippe ans Bett gefesselt hatte. Weil zeitgleich Szeged überraschend Montpellier und Leon Tabellenführer Kopenhagen besiegte, war der Gruppensieg für die "Zebras" wieder in greifbare Nähe gerückt.
Partizan-Trainer Aleksander Brkovic bewies Humor, als er vor dem vier Tage später stattfindenden Rückspiel zwei Wünsche äußerte: Momir Ilic, der alle sechs Strafwürfe verwandelte hatte, sollte keine Siebenmeter werfen dürfen. Und Omeyer solle doch bitte zu Hause bleiben.
Die Gäste erwischten einen Blitzstart und führten bereits nach einer Viertelstunde mit 10:5. Sieben THW-Tore hatte Filip Jicha beigesteuert. Mit von der Partie war auch Christian Zeitz, der, noch geschwächt von einem Magen-Darm-Virus, auf keinen Fall zu Hause bleiben wollte. "Ich habe einige Tage im Bett verbracht, und mir tat der Rücken weh. Ich dachte mir, dass Sport dagegen helfen könnte." Tat er. Anschließend kletterten die Kieler in der Tabelle vom vierten auf den zweiten Platz.
Die "Park and Suites"-Arena war mit 8500 Zuschauern ausverkauft, die Stimmung prächtig. Richtig hitzig wurde es, als Samuel Honrubia bei einem Gegenstoß von Christian Zeitz gestoppt wurde und der Kieler für diese Aktion die Rote Karte (18.) kassierte. Eine harte, aber vertretbare Entscheidung. Montpellier führte in dieser Phase mit vier Toren (12:8), doch die Gäste hielten die dramatische Partie bis zum Ende offen. Erst der achte Treffer von Andersson, der zum 33:30 vollstreckte, machte alles klar.
Eine Schlüsselrolle hatte Marcus Ahlm, der nach seiner Knieverletzung wieder am Kreis mitwirken konnte. "Das war ein genauso lustiges Spiel wie in Kiel", sagte der Schwede. "Diesmal waren wir die clevere Mannschaft." Kurios: Manon, Tochter von Thierry und Laurence Omeyer, wollte ihre Eltern begleiten, durfte aber nicht. Die Achtjährige ist ein Leichtgewicht, dennoch geht sie für die Fluggesellschaft als Erwachsene (76 kg) in die Statistik ein. Mit ihr hätte die Maschine, rein rechnerisch, Übergewicht gehabt und zwischenlanden müssen.
Das Team um die beiden THW-Neuzugänge Rene Toft Hansen und Gudjon Valur Sigurdsson führte vor 800 mitgereisten Fans teilweise mit drei Toren (20:17/40.). Letztlich verhinderten Thierry Omeyer und Christian Zeitz (7 Tore) die zweite Heimniederlage. Der Linkshänder hatte sich zwischendurch eine Risswunde über der linken Augenbraue zugezogen und musste mit zwei Stichen genäht werden. Doch als er zurück kam, steuerte er drei Treffer zu einem 5:0-Lauf bei, der Kiel 22:20 in Führung brachte.
Besonders beeindruckt hatte die Besiegten ein Tor von Kim Andersson2, der in Unterzahl aus zehn Metern zum 27:25 für Kiel traf. "Bei zehn Versuchen gelingt so ein Tor einmal", sagte Joachim Boldsen. "Das war leider diesmal der Fall." Keine Punkte, aber viel Lob nahmen die spielstarken Dänen mit nach Hause. "Hätte ich Zeit gehabt, hätte ich bei einigen Aktionen applaudiert", sagte Zeitz, der mit dem 28:25 auch für die Vorentscheidung sorgte.
Die Gastgeber mussten auf Aron Palmarsson (Knieschmerzen), Kim Andersson (Adduktorenprobleme) und Tobias Reichmann verzichten, der im Training umgeknickt war.
Nach 21 Minuten war der THW-Express auch ohne sie auf 14:5 enteilt. "Die ersten vier Tage nach der EM war ich total antriebslos", sagte Dominik Klein, der knapp die Olympia-Qualifikation verpasst hatte. "Dass wir jetzt wieder zusammen sind - unter Freunden - bringt aber die Kraft zurück."
Leon musste auf drei verletzte Linkshänder verzichten. Ein Grund für eine einseitige Partie. Aber eben auch nur einer. Im spanischen Pokal hatte das Team von Isidoro Martinez zuletzt sogar Atletico Madrid besiegt, doch gegen die wie aus einem Guss aufspielenden Kieler waren sie chancenlos.
Besonders bitter verlief die Partie für Linksaußen Martin Stranovsky. Der Slowake, sonst ein zuverlässiger Kiel-Schreck, traf gar nicht. Ganz anders Kiels Momir Ilic, der allein in der letzten Viertelstunde sechs seiner zehn Tore erzielte. Eine Phase, in der auch Andreas Palicka mit guten Reflexen seinen Anteil am klaren Sieg hatte.
Das Endspiel um den Gruppensieg hatte im Land des neuen Europameisters eine Euphoriewelle ausgelöst. "Wir hätten 50 000 Karten verkaufen können", sagte Trainer Magnus Andersson. "Allerdings lastete so auch viel Druck auf dem Team."
Gudjon Valur Sigurdsson gratulierte anschließend seinem neuen Club: "Wir hätten heute jede andere Mannschaft der Welt bezwungen - aber eben nicht diesen THW." Am Rande des Spiels bestätigte THW-Manager Klaus Elwardt, dass die AG-Verantwortlichen den Wunsch geäußert hätten, Kim Andersson bereits zur nächsten Saison verpflichten zu können.
Auch im Achtelfinale waren die Polen chancenlos. Im Hinspiel unterlagen sie in eigener Halle 24:36 (12:14). Nach den ersten acht Minuten deutete noch wenig auf einen Kantersieg hin - das Walther-Team führte 5:2 und Alfred Gislason nahm eine Auszeit, stellte die Deckung auf die 6:0-Wand um. Mit Erfolg. Die Partie kippte endgültig, als nach der Pause Andreas Palicka eingewechselt wurde. Das Zwölf-Tore-Polster war ein beruhigendes, eines, das sich im Rückspiel als ausreichend erweisen sollte.
In der Schlussphase war es erneut Palicka, der den Sieg gegen eine polnische Mannschaft sicherte, die einen deutlich besseren Eindruck hinterließ als im Hinspiel. "Wir haben heute ohne Angst gespielt", lobte Walther sein Team. "Das war endlich Handball."
Weil die Kieler Arena am ursprünglichen Rückspiel-Termin durch die Show "Holiday on Ice" reserviert gewesen war, musste das Spiel vorgezogen werden. So dauerte das Warten auf den Viertelfinal-Gegner länger. Es sollte RK Zagreb werden und nicht Kopenhagen, was die THW-Verantwortlichen erleichterte.
Er fand nach einer Auszeit offenbar die richtigen Worte. Die Deckung stand nun deutlich besser und Torhüter Marin Sego (17 Paraden) wuchs über sich hinaus. "Wir haben unsere Linie verloren", sagte Filip Jicha, der mit seinen acht Toren großen Anteil daran hatte, dass der THW letztlich noch ein gerechtes 31:31 (12:15) ins Ziel retten konnte. "Der hohe Rückstand war in dieser Saison ein neues Gefühl für uns, da haben wir nicht mehr so cool gespielt", sagte Jicha. Neben dem Ergebnis sei es deshalb das einzig Positive, sich als Mannschaft aus dieser Situation befreit zu haben. In der Wendephase (47. bis 54. Minute) war der Tscheche an sechs der sieben THW-Tore beteiligt.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 11.06.2012)
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