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11.11.2011 Verein

Kieler Nachrichten: "Der Uwe" und "viel Mist"

Kieler Landgericht blickte in die Handball-Welt

Aus den Kieler Nachrichten vom 11.11.2011:

Kiel. Wer ein Gefühl dafür bekommen wollte, wie es sich anfühlt, wenn zwei fremde Welten sich einen Raum teilen, der war gestern im Saal 232 des Landgerichts Kiel richtig. Im Strafverfahren gegen Uwe Schwenker (Ex-Manager des THW Kiel) und Noka Serdarusic (Ex-Trainer des THW) sagte am neunten Verhandlungstag mit Gerd Butzeck ein Funktionär aus, der die enge Verflechtung in der Handballwelt beispielhaft verkörperte. Der 52-Jährige, der ein Forum der einflussreichsten europäischen Vereine als Geschäftsführer vertritt, ist eine wichtige Figur in der Affäre um das angeblich manipulierte Champions-League-Finale 2007.
Butzeck war der jüngste Bundesliga-Schiedsrichter und als 27-Jähriger beim TSV Milbertshofen der erste Manager, der diese Berufsbezeichnung auch ausfüllte. Der Wuppertaler, der fünf Sprachen spricht, arbeitete zudem viele Jahre als Spielervermittler und half unter anderem dem einst von Ciudad Real umworbenen Marcus Ahlm dabei, sich für eine Vertragsverlängerung beim THW Kiel zu entscheiden. Butzeck, auch das wurde gestern bekannt, kassierte dafür ein Honorar von 35 000 Euro vom Rekordmeister. Viel mehr Erhellendes hatte seine dreistündige Vernehmung nicht zu bieten.

Es wurde aber deutlich, wie klein die Handballwelt ist. "Der Uwe" (Schwenker) sei ein enger Freund, "der Theo" (Thorsten Storm, Manager der Rhein-Neckar Löwen) auch, aber nicht ganz so eng wie "der Uwe". Zu Serdarusic ("dem Noka") hätte er, aus seiner Sicht, ein gutes Verhältnis. "Der Noka", nur wenige Meter von ihm entfernt sitzend, erwiderte seinen Blick mit einem Nicken. Damit war um 9.25 Uhr klar, dass auch sie einen guten Draht haben. Das einst solide Verhältnis zu "Manni" (Manfred Werner, inzwischen Ehrenvorsitzender der SG Flensburg) ist, so war zu hören, mittlerweile auf die Ebene der gegenseitigen Sprachlosigkeit abgekühlt. Auf der Sympathieskala von Butzeck scheint auch Jesper Nielsen (Gesellschafter der Löwen) eher einen untergeordneten Platz einzunehmen. Der studierte Mathematiker musste lange überlegen, ob er sich mit dem lässigen Dänen, der seine Gesprächspartner nur im Zustand höchster Erregung mit "Sie" anreden würde, geduzt hat. Hat er, wie er dem Gericht schließlich berichtete.

Die Chemie zwischen ihm, der sehr hemdsärmelig aus einer Welt berichtet, in der noch vor gar nicht so langer Zeit Spieler "aus der Tasche" bezahlt wurden, und der Kammer stimmt von Anfang an nicht. Offenbar stieß es beim Vorsitzenden Richter Matthias Wardeck auf wenig Gegenliebe, dass der Zeuge unaufgefordert von einem Gespräch berichtete, das er mit "dem Theo" am Rande des WM-Endspiels 2009 in Zagreb geführt hat. Darin habe "der Theo" gesagt, dass "der Noka" ihm eröffnet habe, der THW Kiel habe Schiedsrichter bestochen. Butzeck, so die Bitte des Löwen-Managers, möge doch mit "dem Uwe" darüber sprechen, damit der "den Noka" wieder auf Kurs bringt.

Serdarusic hatte sich seinerzeit vom THW im Streit getrennt und einen lukrativen Vertrag bei den Löwen unterschrieben. Um mit den Mannheimern schnell Erfolg haben zu können, soll er, so die Version von Schwenker, ihn, "den Uwe", erpresst haben, um die "Zebras" Nikola Karabatic und Vid Kavticnik vorzeitig aus ihren langfristigen Verträgen auszulösen. Bei diesem angeblichen Erpressungsversuch sieht Schwenker seinen ehemaligen Marketing-Mitarbeiter Storm in einer Schlüsselrolle.

Eine Version, die Butzeck nicht bestätigte. "Der Theo" habe in erster Linie keinen Ärger haben wollen, der Spieler Karabatic sei ihm nicht so wichtig gewesen. Butzeck: "Die Löwen hatten viel Geld, und Theo wusste, dass er auf dieser Position auf jeden Fall einen guten Spieler bekommen würde." Allerdings hätte "der Theo" bei der Vernichtung der Beweise seine Mithilfe angeboten.

Butzeck stritt ab, Nielsen und Werner erzählt zu haben, dass "der Uwe" auf Mallorca in seiner Gegenwart die Bestechung gestanden habe. Das soll am 30. Juli 2007 geschehen sein, an jenem alkoholintensiven Abend auf der Finca des HSV-Präsidenten Andreas Rudolph. Butzeck hatte eine Mail von Nielsen mitgebracht, der sich bei ihm für ein "missverständliches Zeitungsinterview" (Nielsen) entschuldigte und versprach, es im nächsten ganz anders zu sagen. Das Schreiben von Werner, der die angeblichen Butzeck-Aussagen notiert und der Polizei geschickt hatte, quittierte der Zeuge wie folgt: "Lächerlich. Das habe ich Werner nie im Leben erzählt." Wenn zwei Welten aufeinandertreffen, gibt es Momente der Verständnislosigkeit. Momente der Ruhe.

In einem solchen ist gut zu verstehen, wie Schwenker den "Manni" als Labertasche vor dem Herrn" bezeichnet. Befragt nach dem Mallorca-Gelage kann sich Butzeck an nichts Erhellendes erinnern. Auch nicht daran, sich das Hemd vom Leib gerissen zu haben und mit Hose in den Pool gesprungen zu sein. "Der Uwe" habe an diesem Abend "viel Mist" erzählt, aber das Champions-League-Finale, von den Kielern kurz zuvor erstmals gewonnen, sei nur "eines von hundert Themen" gewesen. Spätestens da war klar: Die Handball-Welt hat kein Interesse daran, dass die 5. Große Strafkammer in ihr plötzlich das Licht einschaltet.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 11.11.2011)


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