Die Handballer des THW Kiel haben momentan weder Zeit zum
Verschnaufen noch zum Verarbeiten der bitteren
31:34-Niederlage
vom Mittwoch in Magdeburg. Denn bereits am Freitag fliegen
die "Zebras" auf die iberische Halbinsel, um dort am Sonnabend
in der "
VELUX EHF Champions League"
beim portugiesischen Meister FC Porto Vitalis zu siegen. Der
Anwurf in der Atlantikhafenstadt erfolgt um 21.15 Uhr deutscher
Zeit, Eurosport überträgt live.
Erster portugiesischer Verein in der Königsklasse seit zwölf Jahren
Auch in Portugal wird Handball gespielt - ein Land, das bei
Handballfans gerne einmal übersehen wurde in den vergangenen
Jahren, vor allem, wenn diese ausschließlich auf die
Königsklasse schauen. Denn in der Champions League konnte
sich zuletzt vor zwölf Jahren eine portugiesische Mannschaft
für die Gruppenphase qualifizieren: Der damalige Meister
Sporting Lissabon konnte einst sogar das Heimspiel gegen
KIF Kolding gewinnen, verpasste den Viertelfinaleinzug aber
dennoch deutlich in der Saison, in der
Alfred Gislason
mit dem SC Magdeburg letztlich triumphierte. Seitdem war die
Königsklasse - zumindest die Gruppenphase - eine Portugal-freie
Zone, und auch die Nationalmannschaft spielte seit über zehn
Jahren bei keiner Europa- oder Weltmeisterschaft mehr auf.
Zuletzt war dies 2003 der Fall, als die Iberer selbst die
Welttitelkämpfe ausrichten durften und dort immerhin 12.
wurden, während
Christian Zeitz,
Klaus-Dieter Petersen und Co.
erst im Endspiel in Lissabon an Kroatien scheiterten.
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Ein Däne in Portugal: Linksaußen Mick Schubert
wechselte zu Saisonbeginn von Ajax Kopenhagen nach Porto.
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Porto |
Doch der Handball in Portugal lebte unterhalb der ganz
großen Showbühne weiter: Die nationale Auswahl verpasste
mehrmals nur knapp die Qualifikation für ein Großturnier:
Die
WM in Spanien verpasste man in
den Playoffs gegen den späteren Halbfinalisten Slowenien,
für die Qualifikation zur kommenden EM in Dänemark fehlte
in der Gruppe mit Weltmeister Spanien und Mazedonien nur
ein Punkt. Und auch auf Clubebene sorgen die portugiesischen
Teams beizeiten für Furore: So erreichte Benfica Lissabon,
wie im Fußball neben dem Lokalrivalen Sporting der stärkste
nationale Konkurrent des kommenden THW-Gegners aus Porto,
in der Spielzeit 2010/11 das Endspiel um den europäischen
Challenge Cup, zog dort gegen Cimos Koper aus Slowenien
aber den Kürzeren. Dies erklärt auch, weshalb Portugal
trotz der langjährigen Champions-League-Abstinenz im
letztjährigen EHF-Nationenranking immerhin einen stolzen 11.
Platz belegte, während beispielsweise Schweden nur auf
Rang 13 und Polen sogar nur Rang 16 inne hatte.
Beim fünften Anlauf in Folge klappte es für Porto
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David Davis unterstützte Porto beim Qualifikationsturnier
und beendete anschließend seine Karriere.
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Porto |
Der FC Porto Vitalis jedoch, mit nun 18 nationalen
Meisterschaften alleiniger Rekordmeister vor Sportling
Lissabon (17) und seit 2009 ununterbrochen an der Spitze,
schaffte es in den vergangenen Spielzeiten nie, die hohe
Qualifikationshürde für die Königsklasse zu überspringen.
2010 fehlte ein einziges Tor gegen Dinamo Minsk, 2011 und
2012 scheiterte man jeweils an Partizan Belgrad. In dieser
Spielzeit klappte es: Vor heimischem Publikum
zitterte sich die Mannschaft von Trainer Ljubomir Obradovic
erstmals in die Gruppenphase. Beim Final-Four-Turnier
bezwang der Gastgeber im Halbfinale zunächst Elverum aus
Norwegen mit 29:28 (13:13). Im Endspiel gegen HCM Constanta
aus Rumänien wurde es gar noch enger: Erst nach Verlängerung
und dank insgesamt neun Treffern des Linkshänders Pedro
Spinola siegten die Iberer mit 26:22 nach Verlängerung und
machten ihren Traum von der Königsklasse endlich wahr.
David Davis und Alvaro Ferrer kamen aus Madrid
Eigens für das Qualifikationsturnier hatten sich die Iberer
noch namhaft verstärkt: Der erfahrene Linksaußen David Davis
aus der Insolvenzmasse von Atletico Madrid wechselte
kurzfristig zu den "Drachen", nach einem Monat und der
erfolgreichen Champions-League-Qualifikation beendete der
36-jährige Spanier dann endgültig seine schillernde Karriere.
"Meine Entscheidung stand schon fest, als Porto mir das
Angebot machte. Es war immer eine meiner Optionen, nur
einen Monat lang zu bleiben", verkündete der dreimalige
Champions-League-Sieger und Weltmeister 2005 seinen Entschluss.
Ein anderer ehemaliger Teamkollege Davis' aus Madrid hingegen
blieb Porto treu: Spielmacher Alvaro Ferrer konnte seiner neuen
Mannschaft allerdings bislang noch nicht helfen.
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Der 31-jährige Rechtsaußen und Kapitän Ricardo Moreira
ist einer der wenigen erfahrenen Spieler.
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Porto |
Trainer Ljubomir Obradovic ist stolz auf den erstmaligen
Einzug in die Gruppenphase: "Der FC Porto spielt bereits in der
Fußball- und der Hockey-Champions-League, und jetzt auch
wir. Es ist eine Möglichkeit zu wachsen, wenn man in der
Elite mitspielt, unter den besten der besten Teams. Unser
erstes Ziel war es, die Gruppenphase zu erreichen. Jetzt
lautet es, so weit wie möglich zu kommen. Wir wollen die
Möglichkeit nutzen, um wettbewerbsfähiger zu werden."
Mannschaftskapitän Ricardo Moreira fügt an: "Ich hoffe,
dass diese Saison die erste von vielen für uns in der
Königsklasse sein wird", bleibt aber realistisch: "Zwei
unserer fünf Gruppengegner waren letzte Saison beim
Final4 dabei. Wir wissen, dass es eine sehr schwere
Gruppe ist."
Erstes Heimspiel für die "Drachen"
Dies bewahrheitete sich in den ersten Spielen:
Die junge Mannschaft - elf Akteure sind unter 24 Jahre alt
(siehe auch
Gegnerkader Porto) -
wartet noch auf den ersten Punktgewinn, trat allerdings
auch jeweils auswärts an: Bei KIF Kolding-Kopenhagen unterlag
man zum Auftakt mit 20:25 (10:15), in Polen bei KS Kielce
kam man nach einer guten ersten Halbzeit und einem 13:16-Pausenrückstand
letztlich noch deutlich mit 23:36 unter die Räder. Nun
aber steht das erste Heimspiel an für den FC Porto
Vitalis, der in der nationalen Liga bereits einmal
patzte und zu Hause AA Aguas Santas mit 24:25 unterlag.
Die Heimpremiere bringt dem Verein nun mit dem THW
Kiel gleich einen dreifachen Champion: "Es wird eine
riesige Freude für alle beim FC Porto und für den
portugiesischen Handball im allgemeinen, einige der
besten Mannschaften und Spieler der Welt willkommen
zu heißen", freut sich Vize-Präsident Adelino Caldeira
auf die Duelle im 2000 Zuschauer Platz bietenden
"Dragao Caixa" ("Drachenkäfig").
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Kreisläufer Tiago Rocha erzielte in Kolding
fünf Treffer.
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Porto |
Für den THW Kiel ist die Partie am Samstagabend die
erste überhaupt in Portugal seit fast 13 Jahren. Zuletzt
am 3. Dezember 2000 gastierten die "Zebras" in der
Königsklasse ABC Braga und kassierten trotz acht
Wislander-Treffern eine
21:22-Pleite. Und auch in Porto
traten die Kieler bereits an: Auf dem Weg zum EHF-Pokalsieg
1998 strauchelten die "Zebras" gewaltig gegen den FC Porto
und unterlagen vor 300 Zuschauern mit
21:31
- übrigens auf den Tag genau 16 Jahre vor dem erneuten
Aufeinandertreffen am Sonnabend. So ein Ausrutscher soll
den "Zebras" dieses Mal allerdings nicht noch einmal
widerfahren.
Die Schiedsrichter in Porto am Samstag sind die
Serben Nenad Nikolic und Dusan Stojkovic,
als EHF-Delegierter reist der Spanier Vicente Breto Leon an.
(Sascha Krokowski)
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Lesen Sie bitte auch
Die Füchse Berlin und die TSV Hannover-Burgdorf greifen im
EHF-Pokal
erst Ende November ins Spielgeschehen ein.
In der Champions-League-Gruppe A hoffen
die in der Königsklasse noch sieglosen Rhein-Neckar Löwen am Sonnabend
auf einen Befreiungsschlag: Die Mannheimer sind ab 16.30 Uhr beim slowenischen
Vizemeister RK Celje Pivovarna Lasko (SLO) gefordert.
In der Gruppe D geht das Fernduell
zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem Titelverteidiger HSV Hamburg
in die dritte Runde. Beide Bundesligisten haben ihre ersten beiden Partien
gewonnen und wollen nachlegen. Um 13.30 Uhr tritt der HSV Hamburg beim
dänischen Meister Aalborg Handbold an. Vier Stunden später empfängt
die SG in der heimischen Campushalle den slowenischen Meister
RK Gorenje Velenje.
Eurosport überträgt alle Partien live.
Aus den Kieler Nachrichten vom 12.10.2013:
Stoff für schöne Träume?
THW Kiel heute in der Königsklasse in Porto ohne Jicha, Wiencek und Palmarsson
Porto. Der dichte Terminkalender hat für Handballer
auch Vorteile: So bietet sich dem THW Kiel drei Tage
nach der 31:34-Niederlage beim SC Magdeburg
die Gelegenheit, als Gast des FC Porto (heute, 21.15 Uhr/
Eurosport) wieder Stoff für schöne Träume zu sammeln.
Allerdings reiste der THW gestern ohne
Filip Jicha,
Patrick Wiencek und
Aron Palmarsson an.
Anlass ist die Gruppenphase der Champions League, in der
die Zebras längst zum Inventar gehören. Ganz anders der
portugiesische Meister, der erstmals nach zwölf Jahren
wieder dabei ist. Das Team von Ljubomir Obradovic hat
viele gescheiterte Anläufe hinter sich, doch diesmal gelang
der große Wurf mit einem Trick: Der FC Porto richtete eines
der Qualifikationsturniere aus und ließ sich von seinen
heißblütigen Fans durch zwei dramatische Spiele tragen.
Im Halbfinale besiegte die überwiegend mit Studenten
besetzte Truppe den international eher unbekannten Verein
Elverum aus Norwegen (29:28), im Endspiel rangen sie in der
Verlängerung den rumänischen Spitzenclub HCM Constanta
nieder (26:22).
Um diesen Schritt zu schaffen, hatte der Verein sich aus
der Konkursmasse von Atletico Madrid bedient. Mit den
Spaniern Alvaro Ferrer und David Davis kamen zwei große
Namen an die Atlantikküste. Doch gegen Kiel werden sie
beide fehlen. Davis (36) beendete seine Karriere, Ferrer
ist schwerwiegend an der Schulter verletzt.
Ohne sie verlor Porto in Kolding (20:25) und Kielce (23:36),
nun steht das erste Heimspiel in der Königsklasse an. Auf
den Tag genau 16 Jahre nach einem der größten Erfolge der
Vereinsgeschichte - gegen den THW Kiel. Im Hinspiel des
1/16-Finales um den EHF-Cup waren die Portugiesen in Kiel
noch mit 23:35 untergegangen, im
Rückspiel (31:21) blamierten sie das
Team von Noka Serdarusic ("Eine
peinliche Vorstellung") bis auf die Knochen.
Wolfgang Schwenke, der verletzt
auf der Tribüne saß, hat diesen Tag nicht vergessen. "Das
war eines unserer ersten richtigen Auswärtsspiele auf
internationaler Ebene", sagt Schwenke,
heute Geschäftsführer des Fußball-Drittligisten KSV Holstein.
"Wir waren überrascht von der temperamentvollen Kulisse und
der sehr ungewöhnlichen Spielweise."
Damals, so Schwenke, hätte es in
der Handball-Bundesliga nur die 6:0-Deckung geben. "Die
Portugiesen spielten es wild, da wurden wir schon fast an der
Mittellinie mit drei Mann angegriffen." Die Zebras setzten sich
durch und gewannen schließlich erstmals den Pokal. Drei
Champions-League-Siege später sind die Kieler Sorgen nicht
geringer. "In voller Besetzung wäre klar, was von uns zu
erwarten sein muss", sagt Trainer Alfred Gislason:
"Zwei Punkte."
Doch die Verletztenmisere hätte die Karten neu gemischt.
Während Jicha (Grippe) im Heimspiel
gegen Balingen (Mittwoch, 20.15 Uhr) wohl wieder mitmischen
kann, werden Wiencek (Oberschenkelzerrung/zwei Wochen)
und Palmarsson, dessen operiertes Knie
wieder schmerzt, erneut passen müssen. Mannschaftsarzt
Dr. Detlev Brandecker sieht die Reha
des Regisseurs, der angesichts seiner Bedeutung für die Mannschaft
"einen schmalen Grat" zwischen Aufbautraining und Wettkampf bestreitet,
trotzdem auf einem guten Weg. "Es war allen klar, dass es eine lange
Geschichte werden kann, bis er wieder voll da ist."
Für Palmarsson spielt
Rasmus Lauge, im linken Rückraum
ist Wael "Willi" Jallouz der letzte
Mohikaner. "Willi muss zünden", sagt
Gislason. Der Tunesier wird diesem
Appell in der "Dragao Caixa" folgen müssen, dem mit 2200
Zuschauern ausverkauften "Drachenkäfig".
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 12.10.2013)
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FC Porto Vitalis (POR) - THW Kiel
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TV-Tipp:
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TV: Eurosport:
Sa., ab 21.15 Uhr: FC Porto Vitalis (POR) - THW Kiel
live aus dem "Dragao Caixa", Porto