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20.01.2009 WM 2009

Kieler Nachrichten: Das Prinzip Hoffnung

Heiner Brand braucht einen Holger Glandorf in Bestform - Der Kopf ist nicht frei

Aus den Kieler Nachrichten:

Varazdin - Er ist Weltmeister, 25 Jahre jung, dynamisch, stark in der Abwehr, eine unkontrollierbare Gefahr im Angriff. Holger Glandorf, Linkshänder von der HSG Nordhorn-Lingen, gilt als kompletter Handballer, umworben von den besten Vereinen der Welt. Heiner Brand ist froh, solch einen Diamanten in seinem Kader zu wissen. Aber: Der Edelstein im deutschen Rückraum hat an Glanz verloren.
Im Verein traf er zuletzt seltener, musste seinen Platz häufig für die Jüngeren räumen. Auch bei der WM blieb Glandorf bisher weit hinter den Erwartungen zurück. Wo die die Ursachen sind finden sind? Nicht schwer zu ergründen. Holger Glandorf muss im Juli die Koffer bei der HSG packen, wird sich einen neuen Verein suchen. Die Finanzkrise, die seinen Stammclub in die Enge treibt, lässt ihm keine andere Wahl. Die halbe Bundesliga ist dran an dem 1,95-Meter-Mann. Lemgo, Mannheim oder Kiel sollen am besten im Rennen liegen. Aber Glandorf, der in der Region groß geworden ist, seine Familie in Nordhorn hat, dort glücklicher Vater geworden ist, hängt an der Grafschaft Bentheim. Am liebsten würde er bleiben, sein Kopf ist voll.

Heiner Brand hofft auf Ablenkung durch die WM, dass Glandorf auf andere Gedanken kommt. Der Bundestrainer setzt auf seinen rechten Rückraumspieler, er soll Entlastung bringen für Pascal Hens auf der anderen Seite. Der Hamburger braucht nach langer Verletzungspause Ruhezonen, kann die Last im Rückraum nicht allein tragen. Also wünschen sich alle im Team, dass endlich der Knoten platzt.

Im ersten Gruppenspiel gegen Russland, Glandorfs 100. Länderspiel, keimte nach gutem Start Hoffnung auf, aber bald wurde der Nordhorner zur Fehlerquelle, agierte zögerlich, ohne Mumm. Die Trefferquote lag bei kümmerlichen 27 Prozent. Michael Müller, 24 Jahre, 15 Länderspiele, kam vorübergehend. Am Ende schickte Heiner Brand Glandorf zurück ins Feuer, drei Sekunden vor Schluss übernahm er die Verantwortung zum finalen Wurf, Torhüter Kostygow hatte keine Mühe, es blieb beim 26:26. "Man ärgert sich", sagte Holger Glandorf, unzufrieden mit sich und seiner Leistung. "Ich muss Geduld mit Holger haben, aber ich kann nicht erwarten, dass junge Leute wie Michael Müller plötzlich einspringen", sagt Brand.

Gegen Tunesien machte Glandorf dort weiter, wo er gegen die Russen aufgehört hatte. Müller kam, musste fast eine halbe Stunde spielen. Dann geschah das kleine Wunder. Der Nordhorner war zurück - plötzlich mit Wucht und Selbstvertrauen, ging dorthin wo es wehtut, erzielte die Tore Nummer 22, 24 und 25, brachte Deutschland auf die Siegerstraße. Holger Glandorf strahlte, ballte die Fäuste, jubelte, das ganze Team feierte mit. "Das war wie eine Befreiung", stammelte er später, "diese Minuten stärken mein Selbstvertrauen."

Und die Hoffnung bei den Fans des Titelverteidigers auf eine Weltmeisterschaft mit größeren deutschen Akzenten. Manchmal kann im Mannschaftssport Handball eine einzige Figur viel bewirken. Kann Glandorf in den kommenden Partien den Faden aus dem Tunesien-Spiel aufnehmen, wird es einfacher für die deutsche Sieben, Heiner Brand wäre erleichtert, Pascal Hens würde sich freuen, der WM-Zug nähme richtig Fahrt auf.

(Aus den Kieler Nachrichten vom 20.01.2009)


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