06.06.2005 | Bundesliga |
Das aktuelle Sonderheft Nr. 22/2005 bringt viele interessante Statistiken und ausführliche Informationen zur vergangenen Saison 2004/2005. |
Für Manager Uwe Schwenker ist der kleinen Kader indes gar Teil des Erfolgs: "Dann weiß jeder, dass er wichtig ist." Das Ergebnis, die Einstellung des historischen 62:6-Punkte-Rekordes des TBV Lemgo aus dem Jahr 2003, spricht jedenfalls für sich.
"Das ist auch die Bestätigung dafür, dass der Turn-Around geschafft ist", sagte Schwenker überglücklich nach dem Titelgewinn. In der Tat symbolisierte diese achte Meisterschaft seit 1994 einen Umbruch, kam sie doch erstmals ohne die schwedischen Führungsfiguren der 90er Jahre, Magnus Wislander und Staffan Olsson, zustande. Wenn eine Ära ihre Fortsetzung findet, dann hat das auch mit der Strategie der Klubverantwortlichen zu tun, den Leistungsträgern aus dem kleinen Kader genügend Luft im brutal dichten Terminplan zu verschaffen. Keeper Henning Fritz etwa verzichtete im Januar auf die WM in Tunesien und ließ sich freie Gelenkkörper aus seinem rechten Ellenbogen entfernen. Stefan Lövgren, der geniale schwedische Mittelspieler, nahm sich ebenfalls Pausen von der Nationalmannschaft, und Christian Zeitz fehlte Bundestrainer Brand beim WorldCup in Schweden und beim Osterturnier in Paris.
Überhaupt: Zeitz. Neben Spielmacher Lövgren und Keeper Fritz darf er als eine der Schlüsselfiguren des Kieler Erfolgs bezeichnet werden. Während der 24-jährige Linkshänder in der Nationalmannschaft in eine Krise schlitterte und eine lausige WM spielte, zählten seine brachialen Schlagwürfe in der Liga zu den Höhepunkten. Seine 185 Feldtore sind jedenfalls unerreicht in dieser Spielzeit, und seine famose Antizipationsfähigkeit in der Abwehr brachten dem THW erneut eine Vielzahl an "Steals" ein, die zu leichten Toren führten. Als Basis gilt dabei vor allem sein gutes Verhältnis zu Coach Serdarusic, der seinen sensiblen Lieblingsspieler selbst in formidablen Formtiefs wieder aufbaute und ihn auch dann vehement in Schutz nahm, als ihn der Alt-Internationale Erhard Wunderlich nach dem WM-Ausscheiden öffentlich angegriffen hatte. Den unorthodoxen und spektakulären Stil seines Rückraumspielers will Serdarusic gar nicht ändern: "Warum kommen 10000 Leute in die Halle? Die zahlen auch wegen Christian Eintrittsgeld", sagt der Trainer, der freilich in dieser Saison nur selten eine Alternative im rechten Rückraum parat hatte.
Die Konkurrenz innerhalb des Teams wird freilich im nächsten Jahr zunehmen, denn neben der Neuverpflichtung Kim Andersson (22 Jahre) kann auch neue slowenische Linksaußen Vid Kavticnik (20) auf halbrechts spielen. Da mit Kreisläufer Pelle Linders (29) auch der begehrteste Rückraumspieler Europas, der französische Allrounder Nikola Karabatic (21), an die Kieler Förde wechselt, dürfte der THW für die kommende Saison nahezu unschlagbar sein und mit dann zwölf Titeln mit Rekordmeister VfL Gummersbach gleichziehen. Und dann fehlte eigentlich nur noch das letzte Mosaik in dem Handball-Gesamtkunstwerk THW Kiel - der ersehnte Triumph in der Champions League.
(Von Erik Eggers, aus der Handball-Woche 22/2005)
Vor allem die vier Abwanderer Johan Pettersson, Sebastian Preiß, Martin Boquist sowie Roman Pungartnik ließen sich von den viele Kieler Fans mit Jubelgesängen ein letztes Mal feiern.
(Aus der Handball-Woche 22/2005)
Zu den großen Pluspunkten des Kieler Teams der Superlative gehören vor allem die Zuschauer: Mit 10250 Zuschauern ist die "Ostseehölle" immer ausverkauft. Der Dauerkartenanspruch wird in Kiel vererbt. Der THW ist in der Halle seit 558 Tagen und genau 39 Spiele lang ungeschlagen. Dazu kommt mit Uwe Schwenker ein Manager, der seit 1993 für Kontinuität sorgt und den Verein wie ein Wirtschaftsunternehmen führt.
(Aus der Handball-Woche 22/2005)
Ebenso wie Sebastian Preiß, der zum TBV Lemgo wechselt, holte sich der schnelle Schwede damit zum Abschied seinen zweiten Meistertitel. Auch Roman Pungartnik, zum HSV Handball, und Martin Boquist, nach Kopenhagen, verlassen Kiel jetzt als Deutsche Meister.
An eine "reelle Chance" auf den Titel hatte aber selbst Trainer Zvonimir "Noka" Serdarusic zu Saisonbeginn nicht geglaubt. Schließlich standen den Abgängen von Nikolaj Jacobsen, Demetrio Lozano, Piotr Przybecki und Florian Wisotzki lediglich die Neuen Frode Hagen und Henrik Lundström gegenüber. Der 12er-Kader wurde durch Co-Trainer Klaus-Dieter Petersen und die mit einem Zweitspielrecht ausgestatteten Torhüter Dennis Klockmann und Dirk Sommerfeld sowie Rückraumspieler Christoph Schindler vom Zweitliga-Nachbarn TSV Altenholz aufgefüllt.
Zumindest Klockmann musste häufiger aushelfen, weil Mattias Andersson wegen Rückenproblemen länger ausfiel. Ansonsten aber blieben die THW-Spieler von längerandauernden Verletzungen verschont. Auch das trug zur 11. Deutschen Meisterschaft, und die wurde mit nur sechs Minuspunkten souverän eingefahren, bei. Dabei hatte Manager Uwe Schwenker angesichts des schweren Startprogramms mit mindestens sechs Verlustpunkten bereits aus den ersten Partien gerechnet. "Jetzt haben wir die nach 34 Spielen; eine grandiose Saison".
Und die begann mit einem Auftakt nach Maß. Vor der Weltrekordkulisse in der Arena "AufSchalke" mit 30925 Zuschauern gewann der THW verdient mit 31:26 gegen den TBV Lemgo. Auch sonst punkteten die Zebras. In der Hinrunde unterlagen die Kieler nur in den Auswärtsspielen bei der SG Flensburg-Handewitt (25:21) und Frisch Auf Göppingen (31:30). Gegen diese beiden Teams hat der THW auch in der Bundesliga-Rückrunde in der heimischen Ostseehalle nicht gewonnen. Man trennte sich jeweils unentschieden. Damit erhöhte sich das Minuskonto am 2. März auf sechs Punkte. Und dabei blieb es bis zum meisterlichen Schluss. Insgesamt retteten die Zebras öfter den Sieg erst in allerletzter Sekunde. In Pfullingen etwa, wo der THW am 10. November ohne Selbstvertrauen auftrat, hielt der "Welthandballer des Jahres" Henning Fritz zwei Sekunden vor Schluss einen Siebenmeter und sicherte damit den hauchdünnen 23:22-Erfolg. Beim HSV Handball in der Hamburger Color Line Arena war es Christian Zeitz der mit dem Schlusspfiff das Siegtor 25:24 erzielte (siehe Bericht). Obwohl Trainer Serdarusic ihn vorher auf den wohl anstehenden Kempa-Trick hingewiesen hatte, patzte Zeitz in der Deckung. Guillaume Gille glich für den HSV sechs Sekunden vor dem Ende zum 24:24 aus. Dann aber reagierte der Linkshänder am schnellsten und sorgte im Zusammenspiel mit Fritz und Lundström per schneller Mitte durch seine Blitzaktion für Kieler Erfolgsjubel.
Mit einem blauen Auge kamen die Kieler erst jüngst bei GWD Minden-Hannover in der Hannoveraner TUI-Arena davon. Fast 50 Minuten sah es nach einer Niederlage und damit auch dem Verlust der Meisterschaft aus. Dann aber schaffte der THW nach zwischenzeitlichem sechs Tore Rückstand doch noch einen 34:31-Sieg. "Wenn wir es mit spielerischen Mitteln mal nicht schaffen, muss die Mannschaft halt bis zur letzten Minute kämpfen. Das hat den THW die ganze Saison ausgezeichnet", kommentierte Manager Schwenker die Situation gab aber auch zu: "Wir kommen wohl mit dem letzten Tropfen Benzin ins Ziel".
Das aber liegt auch daran, dass viele THW-Spieler mit ihren Nationalteams bei Olympia in Athen oder Weltmeisterschaft in Tunesien eingesetzt wurden und die Zebras in der Saison zudem in der Champions League und im DHB-Pokal lange mitmischten. In der Königsklasse kam es im März einmal mehr zum "Duell der Giganten", wie es in spanischen Zeitungen zu den Viertelfinal-Begegnungen zwischen dem THW und dem FC Barcelona hieß. Einmal mehr aber hatten die Katalanen am Ende mit einem einzigen Tor die Nase vorn. Dem 30:25-Sieg im Hinspiel in der Ostseehalle folgte eine 27:33-Niederlage im Palau Blaugrana. Die Kieler waren raus. Im DHB-Pokal aber schafften sie es mit ihrem Sieg über FA Göppingen ins Finale. Dort unterlagen die ersatzgeschwächten Zebras, die auf Leitfigur Stefan Lövgren wegen einer Bänderdehnung verzichten mussten und ohne Christian Zeitz, der bereits in der 21. Minute durch eine sehr umstrittene Rote Karte auf die Tribüne geschickt wurde, nach einer großen kämpferischen Leistung der SG Flensburg-Handewitt mit 31:33. Wer danach auf einen "Durchhänger" Kiels hoffte, lag falsch. Nur zwei Tage später lieferten die Zebras ein packendes Ligaspiel in der Bördeland-Halle gegen den SC Magdeburg, gewann mit 39:35 und stießen die Tür zum Titel weit auf.
Im schwedischen Göteborg wurde all das übrigens von einem aufmerksamen Magnus Wislander verfolgt. Vor der letzten Heimpartie schickte er per SMS an Schwenker eine weitere Aufmunterung "Holt die Schale wieder dorthin, wo sie hingehört: an die Kieler Förde!" Und da ist sie denn jetzt auch wieder...
(Von Detlev Strempel, aus der Handball-Woche 22/2005)
Hier einige weitere Statistikdaten zum THW Kiel:
Weitere Handball-Woche-Infos:
(Statistiken und Texte übernommen mit freundlicher Genehmigung der Handball-Woche)
Weitere Statistiken finden Sie in unserem Artikel "Rückblick: Die Rekorde einer Saison" und im Liga-Statistik-Artikel.
(06.06.2005) | Ihre Meinung im Fan-Forum? |