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08.05.2006 Medien / Handball international

Staffan Olssons Hammarby mit unbändigem Siegeswillen zum Triumph

Staffan Olsson ist an der Seite von Magnus Grahn mit Hammarby schwedischer Meister.
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Von Dr. Oliver Schulz

Der in der kommenden Saison allein vom ehemaligen Kieler Staffan Olsson trainierte Underdog Hammarby IF hat geschafft, woran noch am Samstagvormittag nur wenige glaubten. Mit einer von unbändigem Siegeswillen und frenetischen Fans angetriebenen Energieleistung und der permanenten Möglichkeit des Sieges vor Augen rangen sie den amtierenden Meister IK Sävehof mit 31:34 nieder. Jugend, Elan und mannschaftliche Geschlossenheit waren an diesem Nachmittag vor prachtvoller Kulisse im Scandinavium letzten Endes mehr wert als Routine und Erfahrung.
Die jahrelange Hegemonie westschwedischer Traditionsvereine wie Redbergslid, Drott oder Sävehof wurde durch den frischgebackenen Meister Hammarby eindrucksvoll unterbrochen. Seit Hellas 1977 die Meisterschaft gewonnen hatte, hält nun erstmals wieder ein Klub aus der Hauptstadt den Pokal in Händen. Ein Ereignis, das für den gesamten schwedischen Handball auch aus der Vermarktungsperspektive von großem Wert sein kann.

Göteborg präsentierte sich bereits am Freitag nachmittag dem mit großer Spannung herbeigesehnten handballerischen Saisonhöhepunkt angemessen. Die Sonne strahlte an dem bislang wärmsten Wochenende des Jahres in der Region Bohuslän aus stahlblauem, wolkenlosen Himmel auf das orangefarbene Scandinavium, als um 15 Uhr eine Pressekonferenz begann, in der neben den Trainern einige Spieler und Spielerinnen jeweils beider Herren- und Damenteams Rede und Antwort standen.

Tobias Karlsson war im Finale viermal erfolgreich.
Klicken Sie zum Vergrößern! Tobias Karlsson war im Finale viermal erfolgreich.
Im Stillen mögen viele der Anwesenden zu diesem Zeitpunkt an den dritten Meistertitel der Männer aus Sävehof in Folge geglaubt haben. Schließlich hatte sich Hammarby zuvor gegen Skövde durch ganze fünf beinharte Halbfinals kämpfen müssen, während Favorit Sävehof gegen die Überraschungsmannschaft Lugi Lund nur vier Partien benötigt hatte, und dem Team von Coach Rustan Lundbäck dadurch eine längere Regenerations- und Vorbereitungszeit zur Verfügung gestanden hatte. Zudem konnten die Männer um Jonas Larholm im Gegensatz zu den Stockholmern auf internationale Erfahrung aus den Champions League-Partien der letzten Jahre zurückgreifen. Und dann war da noch die Heimkulisse. Es war zu erwarten, daß zahlreiche Anhänger aus dem nahen Partille per Auto oder Linienbus anreisen werden, um die zukünftigen Legionäre Jonas Larholm und Per Sandström ein letztes Mal im alten Trikot zu sehen und auf dem Weg zu einem würdigen Abschied anzufeuern.

Während am Freitagabend im Konferenzraum "Gripsholm" noch technische Details des unmittelbar bevorstehenden handballerischen Leckerbissens besprochen wurden, baten die Kieler Legende Staffan Olsson und Trainerkollege Magnus "Nollan" Grahn ihre Jungspunde nur einen Steinwurf vom Scandinavium entfernt in der benachbarten Valhallahallen um 18 Uhr zu einem anderthalbstündigen Abendtraining.

Schon als sich Favorit Sävehof am Samstagmorgen um 10 Uhr zum Abschlußtraining im Scandinavium einfand, herrschte im weiten Rund mit seinen 13000 Plätzen reges Treiben. Anderthalb Stunden später verließen auch die Spieler Hammarbys nach ihrer Trainingseinheit das Parkett und ermöglichten so Platz für den letzten Schliff am umfassenden künstlerischen Rahmenprogramm.

Nachdem um 13.45 Uhr eine Solistin in blau-gelbem Kleid die Nationalhymne "Du gamla, du fria" vorgetragen hatte, wurden die Freunde des Herrenhandballs noch zwei letzte Stündchen auf die Folter gespannt. Zunächst begann nämlich das Damenfinale zwischen Skövde HK und IK Sävehof. Wie später bei den Herren traf also auch hier der Serienerste auf den Zweiten. Es sollte die umkämpftere, engere Partie des Nachmittags werden.

Die Fans von Hammarby sorgten für großartige Stimmung im Scandinavium.
Klicken Sie zum Vergrößern! Die Fans von Hammarby sorgten für großartige Stimmung im Scandinavium.
Nach 11:11 zur Pause sah Sävehof Mitte der zweiten Hälfte bei vier Toren Vorsprung schon wie der sichere Sieger aus. Skövde, das schon im letztjährigen Finale denkbar knapp den Kürzeren gezogen hatte, wehrte sich jedoch nach Kräften gegen die drohende Niederlage und glich in der torarmen Partie wenige Sekunden vor der Schlußsirene zum 19:19 aus. In der Verlängerung wurde dann Kapitänin Sara Andersson zur Lichtgestalt. Die ins norwegische Bergen zu Björnar wechselnde, torgefährliche Rückraumspielerin verabschiedete sich vom Publikum auf ihre ganz eigene Art. Sie erzielte alle drei Sävehofer Treffer und stellte damit den dritten Titel der Göteborger Vorstädter sicher.

Den inzwischen gut 12000 Zuschauern auf den Rängen blieb nicht viel Zeit, um sich von diesen spannenden Überstuden zu erholen. Kaum hatte sich die Gänsehaut gelegt, war es endlich soweit: das Herrenfinale konnte beginnen. Und nach den ersten Minuten schien alles in die von vielen erwartete Richtung zu gehen. Die Göteborger Vorstädter legten geradezu einen Traumstart hin. Nach 240 Sekunden prangte ein 3:0 auf dem großen Videowürfel. Dann jedoch kam die Stunde eines der Hammarbyer Sieggaranten: Micke Jansson entschärfte in rascher Folge zwei Siebenmeter des sonst so sicher verwandelnden Jonas Larholm. Nur wenig später hielt der überragende Mann im orangenen Trikot einen dritten Strafwurf. Der Underdog, dessen Fans Teile der Tribüne längst in Fußballmanier in ein grünweißes Fahnenmeer verwandelt hatten, glich zum 3:3 aus und übernahm die Führung zum 3:4.

Trotz einfacher oder gar doppelter Unterzahl ließ Hammarby nicht locker und spielte kühl weiter. Während Sävehof nun zu relativ einfachen Toren kam, mußten Staffan Olssons Mannen oft um jeden Treffer fighten. Zappelte der Ball dann aber endlich wieder hinter Per Sandström im Netz, oder gelang Grün-Weiß ein Steal, sprang meist deren gesamte Bank auf, von den beispielhaften Fans ganz zu schweigen. Irgendwie übertrug sich diese Leidenschaft wechselweise und war vielleicht der entscheidende Faktor gegen den Favoriten. Gegen Ende des ersten Durchgangs vergaben die Hauptstädter allerdings einige klare Chancen, so daß Sävehof bis zur Pausensirene auf 14:15 herankam.

Hammarby kam besser in die zweite Hälfte hinein und erspielte sich eine Führung mit drei Toren, die Sävehof aber zunächst auf 16:17 verringerte. Trotz doppelter Unterzahl gelang dem jungen Stockholmer Mittelmann Mikael Apelgren das 18:20, während Spyros Balomenos auf der Gegenseite ein Stürmerfoul unterlief. Sävehofs Trainer Rustan Lundbäck wechselte Torhüter Sandström aus, aber auch dieser Schachzug half nichts. Der Underdog setzte sich langsam auf 19:25 ab, und auf besagtem Videowürfel ließen die Wettquoten inzwischen seinen Sieg vermuten.

Sävehof spielte nun sehr offensiv in der Abwehr (3:3) und stemmte sich mit aller Kraft gegen das für unmöglich Gehaltene. Vier Treffer in Folge ließen den Meister noch einmal auf 23:25 herankommen. Wenig später vereitelte der überragende Torhüter Micke Jansson mit einer weiteren Glanzparade das 24:25. Die aggressive Deckung und das lange, kraftraubende Aufbäumen rächten sich für Sävehof in den letzten Spielminuten. Jansson hielt die Hälfte aller Würfe des Meisters, auch den letzten.

"Meistermacher" Magnus Grahn führte Hammarby von der Bedeutungslosigkeit zum Titel
Klicken Sie zum Vergrößern! "Meistermacher" Magnus Grahn führte Hammarby von der Bedeutungslosigkeit zum Titel
Im Rückraum überzeugte Mittelmann Lukas Karlsson nicht nur mit seinen unberechenbaren Hüftwürfen, die ihm längst den Spitznamen "Lucky Luke" eingebracht haben. Mikael Apelgren übernahm in den entscheidenden Phasen Verantwortung. Das Zünglein an der Waage war aber Hammarbys unbändiger Wille zum Sieg. Den erkannten denn auch Jonas Larholm, Peter Möller und Coach Rustan Lundbäck in der anschließenden Pressekonferenz unumwunden an.

Neben Micke Jansson, der immer wieder Glückwünsche entgegennahm und die Partie analysierte, konnte sich insbesondere Magnus Grahn als "Vater des Erfolges" erst lange nach Abpfiff einen Weg durch die Scharen begeisterter Fans bahnen. Endlich vor dem Scandinavium angekommen, verschwand er in Richtung Kungsportsavenyn. In der linken Hand den Silberpokal und in der rechten eine Flasche Champagner.

Bereits um 20 Uhr hatten der schwedische Handballverband SHF, die Ligavereinigung Herr Elit Handboll (HEH) und der Göteborger Handballverband GHF zu einem Festbankett mit schätzungsweise gut 600 Gästen geladen. Stimmungsvoller Schauplatz des beeindruckenden Abends war das schmucke Restaurant "Kajskjul 8" direkt am Hafen, in dem sich alsbald Spieler und Spielerinnen der vier Finalteams neben zahlreichen Verantwortlichen des schwedischen Handballs einfanden. Doch damit nicht genug: der feierliche Abend gipfelte in einer Zeremonie, in der Spieler und Spielerinnen ausgezeichnet wurden, die in der abgelaufenen Saison durchgehend besonders positiv auf sich aufmerksam gemacht hatten.

Bei den Herren wurde Lindesbergs junger Halblinker Tobias Warvne als "Newcomer des Jahres" ausgezeichnet. Nicht selten hatten in der Vergangenheit Youngster diesen Preis erhalten, die später glanzvolle Karrieren im Ausland einschlugen. Im selben Atemzug wurden jene sieben Spieler geehrt, die auf ihren jeweiligen Positionen nach einem objektiven Bewertungssystem über die gesamte Saison hinweg in summa die höchste Punktzahl erhalten hatten. Unter ihnen nicht nur Sävehofs in Kürze zum HSV Handball abwandernder Torhüter Per Sandström und Ystads Linksaußen Fredrik Petersen, sondern auch der ehemalige Bundesligaprofi Tomas Axner von H43 Lund als bester Rechtsaußen. Er durfte gleich stellvertretend zwei weitere Preise (bester Halbrechter und Torschützenkönig) seines verhinderten Mannschaftskollegen Zoran Roganovic in Empfang nehmen, da der zu CAI Aragon ausgeliehene Serbe am gleichen Abend ein Ligaspiel bestritt.

Texas Olsson jubelt über den Meistertitel.
Klicken Sie zum Vergrößern! Texas Olsson jubelt über den Meistertitel.
Am späteren Abend durften sich die Gäste dann über die sehr gelungene, humorvolle künstlerische Darbietung der bekannten Formation "After Shave & Anders Eriksson" freuen. Freuen konnten sich auch die zahlreichen Hammarby-Fans, die nicht erst im Finale mit der gleichen sympathischen Begeisterung auf den Rängen zu Werke gegangen waren wie ihre jungen Meisterhelden unten auf dem Parkett. Noch weit nach Mitternacht schallte immer wieder einmal aus den Seitenstraßen am Hafen ein glückliches "SM guld, Hammarby". Es bleibt zu hoffen, dass diese Wachablösung rund um das nach so vielen Jahren wieder in die Hauptstadt zurückkehrende "SM guld" aus der PR-Perspektive betrachtet dem gesamten schwedischen Handball zu Gute kommt.

Vor den Meistermachern Magnus "Nollan" Grahn und Staffan Olsson zog an diesem Wochenende ganz Handballschweden den Hut. Dem gleichermaßen beliebten wie populären Grahn war soeben der letzte Schritt auf einer geradezu märchenhaften Reise gelungen. Innerhalb von neun Jahren tauchte Hammarby aus der Versenkung auf. Aus der nahezu bedeutungslosen Viertklassigkeit kämpften sich die Stockholmer Vorstädter beharrlich durch die Ligen bis in die Elitserien. Und jetzt der erste Meistertitel in der Vereinsgeschichte, der eigentlich sogar zu früh kam. Vielleicht das Einzige, das bei Grahns Saisonplanung nicht vorgesehen war. Er wird es verschmerzen können...

THW-Idol Staffan Olsson, dessen großer Beitrag zu den Zebratriumphen an der Kieler Förde ohnehin unvergessen ist, kann man zu seiner jungen Truppe nur gratulieren. Sie steht für pure Leidenschaft, Siegeswillen, mannschaftliche Geschlossenheit und begeisternde Fans. Der Champions-League Teilnehmer der kommenden Saison war bisher eine Mannschaft ohne Stars. Bisher.

Finale: 06.05.06, Sa., 16.00 Uhr: Sävehof IK - Hammarby IF 31:34 (14:15)

Logo Sävehof IK:
Balomenos (8/3), Fahlgren (6), Atterhäll (6), Larholm (5), Fritzon (4), Lennartsson (2)
Logo Hammarby IF:
Lukas Karlsson (7), Apelgren (6), Larsson (4), Grundsten (4), Tobias Karlsson (4), Texas Olsson (3), Henricsson (2), Nygard (2), Arvidsson (2)
Schiedsrichter:
Peter Hansson / Peter Olsson
Zuschauer:
12283 (Scandinavium, Göteborg (SWE))

(Von Dr. Oliver Schulz)


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