08.05.2006 | Medien / Handball international |
Staffan Olsson ist an der Seite von Magnus Grahn mit Hammarby schwedischer Meister. |
Göteborg präsentierte sich bereits am Freitag nachmittag dem mit großer Spannung herbeigesehnten handballerischen Saisonhöhepunkt angemessen. Die Sonne strahlte an dem bislang wärmsten Wochenende des Jahres in der Region Bohuslän aus stahlblauem, wolkenlosen Himmel auf das orangefarbene Scandinavium, als um 15 Uhr eine Pressekonferenz begann, in der neben den Trainern einige Spieler und Spielerinnen jeweils beider Herren- und Damenteams Rede und Antwort standen.
Tobias Karlsson war im Finale viermal erfolgreich. |
Während am Freitagabend im Konferenzraum "Gripsholm" noch technische Details des unmittelbar bevorstehenden handballerischen Leckerbissens besprochen wurden, baten die Kieler Legende Staffan Olsson und Trainerkollege Magnus "Nollan" Grahn ihre Jungspunde nur einen Steinwurf vom Scandinavium entfernt in der benachbarten Valhallahallen um 18 Uhr zu einem anderthalbstündigen Abendtraining.
Schon als sich Favorit Sävehof am Samstagmorgen um 10 Uhr zum Abschlußtraining im Scandinavium einfand, herrschte im weiten Rund mit seinen 13000 Plätzen reges Treiben. Anderthalb Stunden später verließen auch die Spieler Hammarbys nach ihrer Trainingseinheit das Parkett und ermöglichten so Platz für den letzten Schliff am umfassenden künstlerischen Rahmenprogramm.
Nachdem um 13.45 Uhr eine Solistin in blau-gelbem Kleid die Nationalhymne "Du gamla, du fria" vorgetragen hatte, wurden die Freunde des Herrenhandballs noch zwei letzte Stündchen auf die Folter gespannt. Zunächst begann nämlich das Damenfinale zwischen Skövde HK und IK Sävehof. Wie später bei den Herren traf also auch hier der Serienerste auf den Zweiten. Es sollte die umkämpftere, engere Partie des Nachmittags werden.
Die Fans von Hammarby sorgten für großartige Stimmung im Scandinavium. |
Den inzwischen gut 12000 Zuschauern auf den Rängen blieb nicht viel Zeit, um sich von diesen spannenden Überstuden zu erholen. Kaum hatte sich die Gänsehaut gelegt, war es endlich soweit: das Herrenfinale konnte beginnen. Und nach den ersten Minuten schien alles in die von vielen erwartete Richtung zu gehen. Die Göteborger Vorstädter legten geradezu einen Traumstart hin. Nach 240 Sekunden prangte ein 3:0 auf dem großen Videowürfel. Dann jedoch kam die Stunde eines der Hammarbyer Sieggaranten: Micke Jansson entschärfte in rascher Folge zwei Siebenmeter des sonst so sicher verwandelnden Jonas Larholm. Nur wenig später hielt der überragende Mann im orangenen Trikot einen dritten Strafwurf. Der Underdog, dessen Fans Teile der Tribüne längst in Fußballmanier in ein grünweißes Fahnenmeer verwandelt hatten, glich zum 3:3 aus und übernahm die Führung zum 3:4.
Trotz einfacher oder gar doppelter Unterzahl ließ Hammarby nicht locker und spielte kühl weiter. Während Sävehof nun zu relativ einfachen Toren kam, mußten Staffan Olssons Mannen oft um jeden Treffer fighten. Zappelte der Ball dann aber endlich wieder hinter Per Sandström im Netz, oder gelang Grün-Weiß ein Steal, sprang meist deren gesamte Bank auf, von den beispielhaften Fans ganz zu schweigen. Irgendwie übertrug sich diese Leidenschaft wechselweise und war vielleicht der entscheidende Faktor gegen den Favoriten. Gegen Ende des ersten Durchgangs vergaben die Hauptstädter allerdings einige klare Chancen, so daß Sävehof bis zur Pausensirene auf 14:15 herankam.
Hammarby kam besser in die zweite Hälfte hinein und erspielte sich eine Führung mit drei Toren, die Sävehof aber zunächst auf 16:17 verringerte. Trotz doppelter Unterzahl gelang dem jungen Stockholmer Mittelmann Mikael Apelgren das 18:20, während Spyros Balomenos auf der Gegenseite ein Stürmerfoul unterlief. Sävehofs Trainer Rustan Lundbäck wechselte Torhüter Sandström aus, aber auch dieser Schachzug half nichts. Der Underdog setzte sich langsam auf 19:25 ab, und auf besagtem Videowürfel ließen die Wettquoten inzwischen seinen Sieg vermuten.
Sävehof spielte nun sehr offensiv in der Abwehr (3:3) und stemmte sich mit aller Kraft gegen das für unmöglich Gehaltene. Vier Treffer in Folge ließen den Meister noch einmal auf 23:25 herankommen. Wenig später vereitelte der überragende Torhüter Micke Jansson mit einer weiteren Glanzparade das 24:25. Die aggressive Deckung und das lange, kraftraubende Aufbäumen rächten sich für Sävehof in den letzten Spielminuten. Jansson hielt die Hälfte aller Würfe des Meisters, auch den letzten.
"Meistermacher" Magnus Grahn führte Hammarby von der Bedeutungslosigkeit zum Titel |
Neben Micke Jansson, der immer wieder Glückwünsche entgegennahm und die Partie analysierte, konnte sich insbesondere Magnus Grahn als "Vater des Erfolges" erst lange nach Abpfiff einen Weg durch die Scharen begeisterter Fans bahnen. Endlich vor dem Scandinavium angekommen, verschwand er in Richtung Kungsportsavenyn. In der linken Hand den Silberpokal und in der rechten eine Flasche Champagner.
Bereits um 20 Uhr hatten der schwedische Handballverband SHF, die Ligavereinigung Herr Elit Handboll (HEH) und der Göteborger Handballverband GHF zu einem Festbankett mit schätzungsweise gut 600 Gästen geladen. Stimmungsvoller Schauplatz des beeindruckenden Abends war das schmucke Restaurant "Kajskjul 8" direkt am Hafen, in dem sich alsbald Spieler und Spielerinnen der vier Finalteams neben zahlreichen Verantwortlichen des schwedischen Handballs einfanden. Doch damit nicht genug: der feierliche Abend gipfelte in einer Zeremonie, in der Spieler und Spielerinnen ausgezeichnet wurden, die in der abgelaufenen Saison durchgehend besonders positiv auf sich aufmerksam gemacht hatten.
Bei den Herren wurde Lindesbergs junger Halblinker Tobias Warvne als "Newcomer des Jahres" ausgezeichnet. Nicht selten hatten in der Vergangenheit Youngster diesen Preis erhalten, die später glanzvolle Karrieren im Ausland einschlugen. Im selben Atemzug wurden jene sieben Spieler geehrt, die auf ihren jeweiligen Positionen nach einem objektiven Bewertungssystem über die gesamte Saison hinweg in summa die höchste Punktzahl erhalten hatten. Unter ihnen nicht nur Sävehofs in Kürze zum HSV Handball abwandernder Torhüter Per Sandström und Ystads Linksaußen Fredrik Petersen, sondern auch der ehemalige Bundesligaprofi Tomas Axner von H43 Lund als bester Rechtsaußen. Er durfte gleich stellvertretend zwei weitere Preise (bester Halbrechter und Torschützenkönig) seines verhinderten Mannschaftskollegen Zoran Roganovic in Empfang nehmen, da der zu CAI Aragon ausgeliehene Serbe am gleichen Abend ein Ligaspiel bestritt.
Texas Olsson jubelt über den Meistertitel. |
Vor den Meistermachern Magnus "Nollan" Grahn und Staffan Olsson zog an diesem Wochenende ganz Handballschweden den Hut. Dem gleichermaßen beliebten wie populären Grahn war soeben der letzte Schritt auf einer geradezu märchenhaften Reise gelungen. Innerhalb von neun Jahren tauchte Hammarby aus der Versenkung auf. Aus der nahezu bedeutungslosen Viertklassigkeit kämpften sich die Stockholmer Vorstädter beharrlich durch die Ligen bis in die Elitserien. Und jetzt der erste Meistertitel in der Vereinsgeschichte, der eigentlich sogar zu früh kam. Vielleicht das Einzige, das bei Grahns Saisonplanung nicht vorgesehen war. Er wird es verschmerzen können...
THW-Idol Staffan Olsson, dessen großer Beitrag zu den Zebratriumphen an der Kieler Förde ohnehin unvergessen ist, kann man zu seiner jungen Truppe nur gratulieren. Sie steht für pure Leidenschaft, Siegeswillen, mannschaftliche Geschlossenheit und begeisternde Fans. Der Champions-League Teilnehmer der kommenden Saison war bisher eine Mannschaft ohne Stars. Bisher.
(Von Dr. Oliver Schulz)
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