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18.01.2012 Verein

Kieler Nachrichten: Legerer Däne, attraktive Köchin

Zweiter Teil der Prozess-Zusammenfassung: Über den Februar 2009 und die Rollen, die Mirjana Serdarusic und die Löwen spielten

Aus den Kieler Nachrichten vom 18.01.2012:

Kiel. Heute um 9 Uhr beginnt mit dem Plädoyer von Oberstaatsanwalt Axel Goos die Endphase im Kieler Handball-Prozess, am 26. oder 27. Januar soll das Urteil verkündet werden. Im zweiten Teil unserer Zusammenfassung, was an 16 Verhandlungstagen im Landgericht geschah, beleuchten wir zwei Treffen im Februar 2009 in Zagreb und im Haus von Noka Serdarusic, ein angebliches Darlehen des THW an den angeklagten Ex-Trainer und die Rolle, die seine Frau Mirjana in der Manipulations-Affäre spielte.

Der 1. Februar 2009

Am späten Abend nach dem WM-Finale 2009 zwischen Kroatien und Frankreich kam es im Zagreber Hotel "Esplanade" zu einem Gespräch zwischen den THW-Vertretern Uwe Schwenker und Hubertus Grote sowie Jesper Nielsen. Dem Sponsor und Aufsichtsratsvorsitzenden der Rhein-Neckar Löwen soll Schwenker am 1. Februar 2009 die Bestechung der polnischen Schiedsrichter bestätigt haben.
Das sagt die Anklage
Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf ein Gedächtnisprotokoll von Nielsen. Darin heißt es unter anderem, Herr Schwenker habe zugegeben, das Geld an die Schiedsrichter gezahlt zu haben, er habe jedoch nichts mit der Übergabe zu tun gehabt, das habe alles Serdarusic erledigt, der die treibende Kraft gewesen sei.
Das sagen die Zeugen
Jesper Nielsen: Der Däne erschien am 28. September in Turnschuhen, Jeans und Sweatshirt im Landgericht und berichtete von jenem Gespräch wie folgt: "Uwe bestätigte, dass die Gerüchte stimmen und Noka ihn gezwungen habe, mitzumachen." Erledigt hätte die Bestechung ein kroatischer Mittelsmann. Nielsen: "Für Uwe haben Noka und die Balkan-Leute alles durchgeführt." Der Multi-Millionär ist damit der einzige Zeuge, dem Schwenker alles gestanden haben soll.

Hubertus Grote: Am 6. Oktober widersprach der frühere THW-Gesellschafter den Darstellungen des Dänen. Laut Grote sei das alles mit Sicherheit von Herrn Schwenker nicht gesagt worden: "Wir haben Herrn Nielsen lediglich bestätigt, dass wir die Manipulationsgerüchte kennen, dass aber alles sauber gewesen sei." Zentraler Diskussionspunkt sei die vom THW für seinen Star Nikola Karabatic geforderte Ablöse von drei Millionen Euro gewesen. Der Olympiasieger hatte am 14. Januar 2009 einen Vorvertrag mit den Löwen unterzeichnet, der ab 1. Juli 2009 gültig werden sollte. Er stand noch bis 2012 in Kiel unter Vertrag, wollte aber seinem Ex-Trainer und väterlichen Freund Serdarusic nach Mannheim folgen.

Der 11. Februar 2009

Ein Schlüsseldatum. An diesem Abend im Haus des Ehepaares Serdarusic in Russee sollen von Mirjana Serdarusic Schriftstücke vorgelegt worden sein, die beweisen sollen, dass Uwe Schwenker die treibende Kraft bei der Manipulation des Final-Rückspiels gewesen sei. Sie präsentierte die angebliche Selbstanzeige von Volarevic und Kontoauszüge, aus denen ersichtlich wird, dass der THW am 25. April 2007, vier Tage vor dem Rückspiel, 56 400 Euro an den Kroaten überwies. Die Überweisung ist von Schwenker unterschrieben, als Betreff "Transfer THW Kiel" angegeben. Die Ehefrau von Noka Serdarusic, die später schriftlich erklärte, die Selbstanzeige verbrannt zu haben, zeigt die Unterlagen drei Vertretern der Rhein-Neckar Löwen - Manager Thorsten Storm, Gesellschafter Jesper Nielsen und Rechtsanwalt Christian Wiegert. Zu Gast sind auch die THW-Spieler Nikola Karabatic und Vid Kavtcinik, die nach übereinstimmenden Aussagen bei der Sichtung nicht anwesend waren - sie machten im McLaren Mercedes von Nielsen eine Spritztour.
Das sagt die Anklage
An diesem Abend soll Noka Serdarusic mit "geständnisgleichen Angaben" die Manipulation des Final-Rückspiels zugegeben haben. Daraus resultiere der Betrugsvorwurf gegen ihn.
Das sagen die Zeugen
Thorsten Storm: Er bestätigte, das "Bekennerschreiben" gesehen zu haben. Darin hätte Volarevic gestanden, im Auftrag von Schwenker gehandelt zu haben. Die Bestechung soll im Detail beschrieben gewesen sein. Außerdem will Storm einen Stempel und eine Unterschrift erkannt haben. Als ihm von der Kammer ein Briefkopf der Berliner Kanzlei Sendke, die das Schreiben aufgesetzt haben soll, vorgelegt wird, erkennt er sie als Absenderadresse wieder. "Für mich ist an dem Abend eine Welt zusammengebrochen." Spätestens jetzt sei ihm klar geworden, dass Serdarusic nicht Trainer der Löwen werden könne. Ihm, Storm, soll Serdarusic gesagt haben, dass Schwenker die treibende Kraft gewesen sei. Er hätte lediglich den Mittelsmann beschafft.

Jesper Nielsen: Wortführerin soll, so der Däne, Mirjana Serdarusic gewesen sein, die sich "hasserfüllt auf Uwe" und "hochemotional" gegeben hätte. Beide Eheleute hätten dem Löwen-Trio im Detail erzählt, wie sie mehrere Europapokalspiele manipuliert hätten. Es soll mit Bargeld und im kleinen Kreis begonnen haben. Laut Nielsen hätten anfangs die Ehefrauen der Beklagten das Geld an die Schiedsrichter übergeben. Außerdem soll Serdarusic behauptet haben, dass die meisten Schiedsrichter bestechlich seien. In der Bundesliga, so hätte Serdarusic versichert, solle "alles sauber sein". Außerdem hätte Serdarusic ihm gesagt, dass er schon vorher gewusst haben will, dass der THW das Champions-League-Rückspiel im Mai 2008 gegen Ciudad Real nicht gewinnen könne. "Er hat gesagt, dass sie versucht hätten, die Schiedsrichter zu bestechen, aber die hätten abgelehnt." An diesem Abend will Nielsen "richtig Angst bekommen" haben, seinen guten Ruf als Geschäftsmann zu ramponieren, wenn diese Vorwürfe öffentlich werden würden.

Christian Wiegert: Er will gehört haben, dass Serdarusic von Bestechungen wusste, es aber nicht verhindern konnte. Ein Trainer, so dessen Erklärung, wäre mit einem General vergleichbar, die Spieler seien die Truppen. Ihr gemeinsames Schicksal sei es, der Politik ausgeliefert zu sein. Wer im internationalen Handball erfolgreich sein wolle, müsse bestechen. Das, so Wiegert, schien an diesem Abend auch allen anderen Beteiligten klar gewesen zu sein. Die Bestechung im internationalen Handball sei, so Wiegert, "ein etabliertes System". Das angebliche Bekennerschreiben hätte er nur oberflächlich begutachtet. Es sei eine unterschriebene Faxkopie gewesen. Als Anwalt hätte ihn lediglich interessiert, ob es sich dabei um eine Urkunde gehandelt hätte. "Das war es definitiv nicht."

Das Darlehen

Am 4. April 2008, zwei Tage vor dem 31:21-Heimsieg in der Champions League gegen den FC Barcelona, und am 13. Mai 2008, zwei Tage nach dem verlorenen Final-Rückspiel (25:31) gegen Ciudad Real, wurden insgesamt 60 000 Euro vom THW-Konto abgehoben. Die Ausgaben wurden in der Bilanz gestückelt unter den Rubriken "Verpflegung", "Schiedsrichter" und "Sonstige Aufwendungen", jeweils mit Nennung der für die Spiele nominierten Schiedsrichter-Namen, aufgelistet. Belege für die Summen - 20 000 Euro als Scheck, der Rest Bargeld in zwei Umschlägen - gibt es nicht. Am 18. November 2009 forderte der THW bei Noka Serdarusic die Rückzahlung der Summe (inkl. Zinsen) ein. Zwei Wochen später überwies er 42 925,23 Euro. Serdarusic hatte in Absprache mit den neuen THW-Verantwortlichen die eingeforderte Summe mit ausstehenden Prämien (37 500 Euro brutto) verrechnet. Als der THW sich im Juni 2008 von ihm trennte, waren die 60 000 Euro im Auflösungsvertrag unerwähnt geblieben. Die Verhandlungen hatte Gesellschafter Georg Wegner geführt, Unterzeichner war Schwenker.
Das sagt die Anklage
Mit dem Geld sollten "schwarze Kassen" geführt werden, die dazu gedient haben sollen, Schiedsrichter zu bestechen. Für die Staatsanwaltschaft eine klare Untreuehandlung. Auf den Konten der Eheleute Serdarusic konnten von den Ermittlern keine entsprechenden Eingänge festgestellt werden. Auch Sonderausgaben (Tilgungen, PKW-Kauf, etc..) suchten sie vergeblich.
Das sagt Uwe Schwenker in seiner polizeilichen Vernehmung
Mit dem Geld sollte ein finanzieller Engpass bei Noka Serdarusic überbrückt und dessen Laune gehoben werden. Stefan Lövgren, Kapitän des THW Kiel, hätte ihn darum gebeten, mit Noka zu reden. Er soll, so Lövgren, seit einiger Zeit sehr schlecht gelaunt zum Training gekommen sein. Da die Pokal-Endrunde in Hamburg vor der Tür stand, hätte Schwenker sich zum Handeln gezwungen gesehen. Die chronischen Geldsorgen des Trainers seien bekannt gewesen, auch weil dessen Frau Mirjana häufig Casinos aufgesucht hätte. Die Zahlung von 40 000 Euro hätte er mit Gesellschafter Hubertus Grote abgesprochen. Für Buchungen sei er nicht zuständig gewesen, das wäre die Aufgabe von Günter Dittmer gewesen. Auf mehrfache Nachfrage des Buchalters, wie er die 60 000 Euro zu verbuchen habe, will Schwenker mit den Worten "Mach, was Du willst" geantwortet haben.
Das sagen die Zeugen
Hubertus Grote: Er bestätigte,von der zweiten Zahlung gewusst zu haben. Damit sollte "Noka wieder auf die Spur gebracht" werden. Die Verhandlungen hätte Schwenker im Auftrag der Gesellschafter geführt, weil Serdarusic die "nicht voll genommen" hätte.

Georg Wegner: Von einem Kreditwunsch habe er nichts gewusst. Weder Schwenker noch Grote hätten ihn informiert. "Ich habe davon erst im Ermittlungsverfahren erfahren." Wegner bezeichnete die Buchungen als "abenteuerlich". Sie seien der Anlass gewesen, Schwenker zu entlassen. Ein Beschluss, den Wegner ("Es ist auf meinen sanften Druck passiert") und drei andere Gesellschafter aus dem Führungsgremium fassten, ohne sich, wie zuvor vereinbart, mit Grote (Urlaub) abzusprechen.

Mirjana Serdarusic

Die Ehefrau von Noka Serdarusic, Mirjana, gilt als Auslöser. Als gute Freundin von Karin Schwenker wollte sie sich nicht damit abfinden, dass Schwenker sich von seiner Ehefrau getrennt hatte. Georg Wegner berichtete von einer denkwürdigen Begegnung im VIP-Raum der Kieler Arena, als sie über Schwenker und dessen neue Lebensgefährtin im Beisein zahlreicher Sponsoren ("Da kommt der Ehebrecher mit seiner Schlampe") lästerte. Wegner: "Da habe ich kräftig geschluckt." Wegner war es auch, dem sie ("außerordentlich emotional") im November 2008 erstmals erzählte, dass Schwenker bestochen haben soll. Und nicht nur das. Er soll seine Frau mehrfach betrogen, Millionen unterschlagen und Möbel aus der Vereinskasse bezahlt haben. Wegner, der sie als "attraktive, selbstbewusste Frau mit Kochqualitäten" beschrieb, wäre im Gespräch mit den Gesellschaftern Grote und Willi Holdorf zur Überzeugung gekommen, dass die Vorwürfe haltlos seien. "Ich habe das Mirjana ausgerichtet", sagte Wegner. "Sie hat fürchterlich geschimpft." Wegner berichtete auch von einem Gespräch mit dem Ehepaar Serdarusic, das sich anlässlich der Vertragsauflösung mit dem Ex-Trainer im Juni 2008 in seinem Büro eingefunden hatte. "Noka hat da zu ihr gesagt, dass er sie bereits im Januar gewarnt hätte." Wenn sie nicht endlich den Mund hielte, würde er seinen Job verlieren. Laut Wegner trug er es aber mit Fassung, dass seine Prophezeiung sich erfüllte. "Er sagte, er hätte keine Wahl. Schließlich würde er seine Frau ja lieben."

(von Gerhard Müller und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 18.01.2012)


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