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19.01.2012 Verein

Kieler Nachrichten: Staatsanwalt bleibt dabei: Es war Betrug

Aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2012:

Zum Mittagessen bestellt Axel Goos in der Kantine des Kieler Landgerichts leichte Kost. Voller Bauch plädiert nicht gern. Was der Oberstaatsanwalt schließlich vorträgt, ehe er Bewährungsstrafen fordert, dürfte für die beiden Angeklagten schwer verdaulich gewesen sein.
Uwe Schwenker schüttelt während des Plädoyers häufig den Kopf, Noka Serdarusic runzelt die Stirn. Offenbar erscheinen dem ehemaligen Manager des THW Kiel und dessen Ex-Trainer die Schlüsse, die Goos am 17. Verhandlungstag des Handball-Prozesses zieht, reichlich konstruiert. Doch obwohl dem schlanken Ankläger mit der Figur eines Marathonläufers klare Beweise fehlen, eines beweist er mit seinem Plädoyer: Er besitzt Stehvermögen. Goos spricht von einem "denkwürdigen Prozess, der nun zu Ende geht" und bleibt auf der Zielgeraden seinem Ruf als unerbittlicher Aufklärer treu. Er weicht keinen Millimeter von seinem bisherigen Kurs ab. Der lautet: Auf dem mühsamen Weg der Wahrheitsfindung Indizien aufsammeln und so die Angeklagten zur Strecke bringen.

Axel Goos hat es wahrlich nicht leicht gehabt. Schwenker und Serdarusic verweigerten die Aussage, wichtige Mitwisser wie der vermeintliche Geldüberbringer Nenad Volarevic machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Dabei wäre es für den Kroaten, so Goos, ein Leichtes gewesen, die Anklage in ihren Grundfesten zu erschüttern. Außerdem seien Zeugen aufgetreten, die sich zu einem "Kartell des Schweigens" vereint hätten, um dem Handball nicht zu schaden. Für den Aufklärer ist klar: "Die Belange des Sports sind auf der Strecke geblieben."

Trotz dieser Erschwernisse sieht Goos die zentralen Vorwürfe seiner Anklage als erwiesen an: "Ich bin davon überzeugt, dass dem Champions-League-Finale 2007 eine Manipulation durch die Angeklagten zugrunde lag." Er beruft sich auf 56 400 Euro, die Schwenker vier Tage vor dem zweiten Endspiel an Volarevic überwies, die Barabhebung des Mannes aus Zagreb einen Tag darauf in Höhe von 45 000 Euro sowie dessen anschließenden Flug nach Warschau. Dort habe der Kroate den polnischen Final-Schiedsrichtern das Geld übergeben. Auch die 92 000 Euro, mit denen Schwenker Volarevic 2007 die Vermittlung von Kreisläufer Igor Anic aus Montepellier honorierte, seien verdeckte Zahlungen gewesen. Beim Transfer von Torhüter Thierry Omeyer seien schließlich nur 40 000 Euro an Spielerberater Bhakti Ong geflossen. Goos folgert flott formuliert: "Der Versicherungskaufmann Schwenker hat eine Versicherung auf Erfolg abgeschlossen."

Bei der Bewertung diverser widersprüchlicher Zeugenaussagen hält der Oberstaatsanwalt wenig überraschend jene Schilderungen für glaubwürdig, die seine Sicht der Dinge stützen. Dazu zählt die Behauptung des Sponsors der Rhein-Neckar Löwen, Jesper Nielsen, Schwenker habe ihm am 1. Februar 2009 die Bestechung der Schiedsrichter eingeräumt. Dass der damalige THW-Gesellschafter Hubertus Grote das Gespräch ganz anders in Erinnerung hat, wundert Goos nicht. Grote sei ein Freund Schwenkers, Nielsens Ausführungen dagegen von einer "logischen Konsistenz". Die Unverfrorenheit, mit der im Gerichtssaal gelogen worden sei, werde im Übrigen womöglich noch weitere Strafverfolgungen auslösen.

Am Ende bittet Goos um Verständnis für einige Konzentrationsprobleme. Ein 2:55 Stunden währendes Plädoyer ist womöglich so strapaziös wie ein Marathonlauf, zumal der Oberstaatsanwalt einen Fehlstart in den Tag hinter sich hat. Die Kammer hatte nämlich seinen Antrag, die am 3. Januar bei der Durchsuchung der Kanzlei des Berliner Anwalts Björn Sendke gefundene Selbstanzeige von Volarevic zu verwerten, in denkwürdiger Form abgewiesen. Der Vorsitzende Richter Matthias Wardeck beurteilte die Aktion als verfassungswidrig, ein Beobachter sprach von einer "schallenden Ohrfeige für den Staatsanwalt", dessen zuckende Wangenmuskulatur während Wardecks 25-minütigem Vortrag Anspannung verrät.

Nach KN-Informationen findet sich in den Akten auch ein Vermerk von Sendke, dass er die Anschuldigungen von Noka und Mirjana Serdarusic gegenüber Schwenker für konstruiert erachtet. Ein Aspekt, auf den die Verteidigung bei ihren Plädoyers am Montag nicht eingehen kann. Die Dokumente bleiben ein Tabu. Zumindest in diesem Verfahren.

(von Gerhard Müller und Esther Alves, aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2012)


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