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16.03.2009 Bundesliga / Interview

Kieler Nachrichten: "Die Geschichte ist ziemlich utopisch"

Aus den Kieler Nachrichten vom 16.03.2009:

Magdeburg - Den beiden Handball-Schiedsrichtern Bernd Ullrich und Frank Lemme aus Magdeburg wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Bernd Ullrich bestätigt einen Bestechungsversuch, sieht sich aber als Opfer eines Komplotts.
Frage:
Wurden bei Ihnen beim Zoll am Moskauer Flughafen 50000 Dollar entdeckt?
Bernd Ullrich:
Ja, das stimmt.
Frage:
Wie stellt sich der Sachverhalt aus Ihrer Sicht dar?
Bernd Ullrich:
Es ist absolut bescheuert gelaufen, wir saßen in einer Lounge am Flughafen und warteten. Als unser Flug aufgerufen wurde, gingen wir zum Gate und durch die Sicherheitskontrolle. Dort durchsuchte ein Zöllner meine Sporttasche und entnahm eine Tüte mit dem Geld.
Frage:
Und diese Tüte hatten Sie vorher nicht bemerkt?
Bernd Ullrich:
Nein, ich hatte nach dem offiziellen Bankett nach dem Spiel meine Tasche mit Schiedsrichter-Kleidung im Zimmer abgestellt. Die Tüte sah ich zum ersten Mal, als wir kontrolliert wurden.
Frage:
Also denken Sie, dass die Tüte Ihnen unbemerkt zugesteckt wurde?
Bernd Ullrich:
Ja, auf jeden Fall. Wir sind doch nicht so blöd und schleppen 50000 Dollar durch den russischen Zoll.
Frage:
Haben Sie einen Verdacht, wie die Tüte in Ihre Tasche gelangte?
Bernd Ullrich:
Es muss eigentlich schon in der Schiedsrichter-Kabine passiert sein. Für mich gibt es drei Varianten: Die Russen wollten, dass wir das Geld finden, dann hätten wir auch reagiert und den Vorfall gemeldet. Zweitens: Wir merken es nicht und wir sind somit bestochen worden. Oder drittens, und so kam es auch: Das Geld wird gefunden, und man hätte uns vorwerfen können, wir hätten das Geld angenommen.
Frage:
Haben Sie einen Verdacht?
Bernd Ullrich:
Keinen konkreten. Allerdings standen unsere Taschen während des Spiels natürlich unbeaufsichtigt in der Kabine.
Frage:
Gab es im Vorfeld des Spiels Anzeichen für eine versuchte Bestechung?
Bernd Ullrich:
Ja, Frank Lemme wurde vor dem Spiel von einem ihm bekannten Russen angesprochen, dass wir das Spiel in die richtige Richtung leiten sollten. Aber er sagte nur: 'Keine Chance, das machen wir nicht.' Er sagte mir vor dem Spiel aber nichts davon.
Frage:
Was ist dann mit dem Geld geschehen?
Bernd Ullrich:
Wir mussten alles am russischen Zoll abgeben, inklusive unseres privaten Geldes. Wir mussten einen Bericht in russischer Sprache unterschreiben und haben von diesem allerdings keine Kopie erhalten. Wir dachten nur: Hauptsache raus dort!
Frage:
Warum haben Sie den Vorfall nicht sofort an den Europäischen Verband EHF gemeldet?
Bernd Ullrich:
Im Nachhinein hätten wir es auf jeden Fall machen sollen, aber wir hatten keine Beweise. Zudem hatten wir natürlich Angst, was wird aus unserer internationalen Karriere, und die ganze Geschichte hört sich zugegebenermaßen ziemlich utopisch an.
Frage:
Ist Ihre Schiedsrichter-Karriere hiermit beendet?
Bernd Ullrich:
Das wird die Zeit zeigen.
(Mit Schiedsrichter Bernd Ullrich sprach Frank Mebik (dpa), aus den Kieler Nachrichten vom 16.03.2009)


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