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19.03.2009 Bundesliga

Kieler Nachrichten: "Seit Wochen in einer Sphäre des Ungefähren"

Handball-Weltmeister Schwarzer sauer - Bundesliga-Manager stärken Schwenker den Rücken

Aus den Kieler Nachrichten vom 19.03.2009:

Kiel/Hamburg - Die Manager-Familie hält auch in der schwersten Handball-Krise fest zusammen. Einen Tag nach dem entlastenden Bericht der Europäischen Handball-Föderation (EHF) hat Manager Uwe Schwenker vom THW Kiel auch von seinen Bundesliga-Kollegen Rückendeckung bekommen. Derweil zieht die Bestechungs-Affäre jedoch immer weitere Kreise.
In einer Umfrage des Magazins "Sport-Bild" sprachen sich 14 Erstliga-Manager für Schwenkers Verbleib bis zur Aufklärung der Vorwürfe beim deutschen Meister aus.

Unterdessen schilderte der ehemalige Flensburger Trainer Erik Veje Rasmussen einen Bestechungsversuch. Der Däne gab in der Zeitung "Politiken" an, er sei vor einem Spiel auf europäischer Ebene über einen Mittelsmann gefragt worden, ob sein Klub die beiden Schiedsrichter für einen Sieg "kaufen" wolle. Er habe dies abgelehnt. Sie hätten keinen Fall daraus gemacht, weil sie keinen Beweis gehabt hätten, aber "das war klipp und klar ein Versuch, Geld daraus zu ziehen", sagte Rasmussen. Der 49-Jährige erklärte nicht, ob der Vorfall sich in seiner fünfjährigen Flensburger Zeit oder bei seinem jetzigen Club Aarhus GF zugetragen hat.

Rasmussen ist sicher, dass man als Referee ohne weiteres ein Spiel manipulieren kann. "Man pfeift zehn Minuten lang für die eine Mannschaft" und in der Schlussphase, wenn das Team am Ziel sei, könne man "drei, vier rauswerfen, damit das statistisch nachher ordentlich aussieht". Die derzeitige Affäre sei zwar schädlich für den Handball. Andererseits freue er sich, "dass jetzt Riesenwirbel kommt", weil es ein Zustand sei, den man seit vielen Jahren gekannt habe.

Der Flensburger Fynn Holpert votierte in der Manager-Umfrage als einziger für einen Schwenker-Rücktritt. Die sportlichen Leiter der HSG Nordhorn, Bernd Rigterink, und des VfL Gummersbach, Francois Houlet, machten keine Angaben.

Unterdessen befürchten mehrere Handball-Stars einen Imageschaden für ihren Sport. "Für uns Spieler ist es ein Drama zu sehen, wie wir jetzt im Morast versinken. Alles, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde im deutschen Handball, liegt darnieder", sagte Christian Schwarzer, Weltmeister von 2007. Erhard Wunderlich, Weltmeister von 1978, drängte auf eine schnelle Aufklärung. "Wir bewegen uns seit Wochen in einer Sphäre des Ungefähren. Gerüchte, Verdächtigungen, Mutmaßungen - das ist Gift für den Handball. Wir brauchen schnell belastbare Fakten."

Die EHF hat eine für den Handball einzigartige Rasterfahndung gestartet: Alle Schiedsrichter und Technischen Delegierten von 4000 Spielen sollen bis zum 24. März Antworten geben auf heikle Fragen. "Das sind fünf Fragen, in denen wir um präzise Aufklärung bitten, was den Einzelnen begegnet ist", so EHF-Generalsekretär Michael Wiederer. Eine andere Frage, die sich mittlerweile allerdings stellt, zielt auf den Handballverband selbst: Will die EHF die schweren Vorwürfe tatsächlich rigoros aufklären?

Diesen ungeheuerlichen Verdacht, die EHF toleriere durch ihr Verhalten Bestechungsversuche, nährt auch der Bericht eines anderen deutschen Schiedsrichterpaares, das dem Deutschen Handballbund (DHB) und der EHF einen Bestechungsversuch vor einem Hauptrundenspiel der Frauen-Champions League in Osteuropa in Höhe von 10 000 US Dollar gemeldet hatte. Im Gegensatz zu Lemme/Ullrich lehnten sie ab und meldeten den Fall vorschriftsgemäß dem DHB und der EHF.

Auch in anderer Hinsicht ist die Sorglosigkeit der EHF-Funktionäre verblüffend. Er wisse, dass der ukrainische Schiri Aleksandr Liudovyk parallel als Spielervermittler auftrete, bestätigte EHF-Generalsekretär Wiederer noch am 22. Februar in größerer Runde am Rande des Champions-League-Spiels zwischen dem THW und Ciudad Real.

Das Problembewusstsein, dass Liudovyk also theoretisch auf höchster Ebene seine eigenen Spieler-Klienten pfeifen könnte, respektive die Vereine, mit denen er Geschäfte macht, ist schlichtweg nicht vorhanden. Das Paar Liudovyk/Valentyn Vakula hat zwei Champions League-Partien des THW Kiel geleitet, die unter Verdacht stehen: Das Halbfinalhinspiel 2007 bei Portland San Antonio (28:30) sowie das Halbfinalhinspiel 2008 gegen den FC Barcelona (41:31).

(von Erik Eggers, aus den Kieler Nachrichten vom 19.03.2009)


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