30.03.2009 | Handball international |
So weit, so schlecht. Verwickelt in die Geschichte ist bemerkenswerterweise der Funktionär Leon Kalin, jener Mann, der am 29. April 2000 das skandalöse Champions-League-Finale zwischen dem FC Barcelona und dem THW Kiel an der Seite seines slowenischen Landsmannes Enes Koris als Schiedsrichter geleitet hatte. Der Verfasser dieser Zeilen war Zeuge im Sportpalast Palau Blaugrana. Es bleiben unvergessene 60 Minuten, vor allem die letzten fünf. Nach dem 28:25-Hinspielsieg und dem 23:23 in der 54. Minute stand Kiel vor den Augen von König Juan Carlos vor seinem ersten großen internationalen Triumph, wurde am Ende aber in Grund und Boden gepfiffen. Schrittfehler bei Tempogegenstößen (Lövgren), Stürmerfouls ohne Körperkontakt - die Slowenen zogen alle bitterbösen Register, ließen Wislander und Co beim finalen 24:29 keine Chance. Am Ende hatten viele "Zebras" Tränen in den Augen, Trainer Noka Serdarusic, der heute selbst in Manipulationsvorwürfe verstrickt ist, verstand die Welt nicht mehr. "Wir hatten schon die Hand am Pokal, aber dann waren höhere Mächte gegen uns." Derweil feixten spanische Kollegen auf der Pressetribüne. Sie hätten es wieder getan, die Barcelona-Offiziellen, ließ man den erstaunten deutschen Kollegen wissen. Dabei rieben einige ihre Daumen auf die Zeigefinger. Aha, Geld im Spiel - Schiedsrichter bestochen. Und das Wort "wieder".
Eine Woche später lüftete Wilfried Lübker, damals im Gespann mit Manfred Bülow Teil eines Weltklasse-Schiedsrichter-Paares, für diese Zeitung längst bekannte Gerüchte aus der internationalen Unparteiischen-Szene. Bestechung schließe er bei Betrachtung der Bilder von Barcelona keineswegs aus, er wisse, so Lübker, was international üblich sei. "Wenn die Schiedsrichter die Hallen mit prall gefüllten Koffern verlassen, sind die Kameras längst ausgeschaltet." Unternommen werde gar nichts nichts, behauptete Lübker schon im Jahr 2000. Weil, wie der Lübecker vermutet, "viele in der EHF unter einer Decke stecken."
Ein Satz, den das aktuelle Geschehen zu bestätigen scheint. Schiedsrichter, die versuchte Bestechungen melden, drohen Sperren, die "Täter" werden gar nicht erst behelligt. Die ehrlichen Worte von Lübker bedeuteten damals das Aus für seine Schiedsrichterkarriere, die altersbedingt zwar ohnehin kurz vor dem Ende stand. "Aber Lust hätten wir schon noch gehabt", erinnert sich Manfred Bülow. Kollege Lübker wurde von der deutschen Schiri-Innung für ein Jahr aus dem Verkehr gezogen ("Nestbeschmutzer"), die angestrebte internationale Laufbahn auf der Funktionärsleiter endete, bevor sie begonnen hatte. Für den Ausschluss Lübkers hätte sich vor allem das jetzt unter Verdacht stehende Schiri-Paar Lemme/Ullrich stark gemacht, weiß Bülow. "Aber auch ich hatte keine Chance mehr, obwohl ich nichts gesagt hatte" so der ehemalige Schiedsrichter, der in Sippenhaft genommen und nach nur einem Einsatz als EHF-Delegierter aussortiert wurde.
Leon Kalin hat es besser angetroffen. Der Slowene, übrigens ein Vertrauter vom skandalumwitterten Weltverbands-Boss Hassan Moustafa, sitzt schon an wichtiger Stelle in der IHF. Beim Wahlkongress des Welthandballverbandes im Juni in Kairo kandidiert Kalin für den Vorsitz der Wettbewerbskommission. Wird er gewählt, schafft er den Sprung in die Exekutive und stiege zu einem mächtigen Mann im Welthandball auf.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 30.03.2009)
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