THW-Logo
30.03.2009 Handball international

Kieler Nachrichten: Handball dubios: Täter frei, Opfer bestraft

Verbandsfunktionäre im Zwielicht - Bei Bestechung Augen zu und weiter

Aus den Kieler Nachrichten vom 30.03.2009:

Kiel - Die Rolle der Europäischen Handball-Föderation (EHF) mit ihrem Generalsekretär Michael Wiederer an der Spitze nimmt immer dubiosere Züge an. Mindestens zwei gemeldete Bestechungsversuche soll der Österreicher zuletzt gedeckelt haben, bei einem neuen Vorfall verlässt Wiederer, der seit 1991 die EHF führt, anscheinend das Gedächtnis.
Der Hintergrund: Gerd Butzek, deutscher Geschäftsführer der Group Club Handball, hatte 2004 als EHF-Delegierter des Europapokalspiels zwischen den Spaniern von BM Valladolid und dem slowenischen Club Gorenje Velenje, einen Anruf des Schweizer Schiedsrichters Michel Falcone erhalten. Inhalt des Gesprächs: Falcone hatte erzählt, vor der Partie von dem slowenischen Spitzenfunktionär Leon Kalin kontaktiert worden zu sein. Dieser habe ihm klar gemacht, dass Velenje die Partie unbedingt gewinnen müsse. Falcone habe das Gespräch sofort beendet und daraufhin Gerd Butzek informiert. Dieser wiederum wandte sich an Wiederer. Einen schriftlichen Bericht habe der EHF-Geschäftsführer als unnötig bezeichnet, sagt Butzek. Er selbst, Wiederer, wolle sich darum kümmern. Passiert ist seitdem gar nichts. Außer: Wiederer bestreitet laut "Spiegel", je ein Telefonat diesen Inhalts mit Butzek geführt zu haben.

So weit, so schlecht. Verwickelt in die Geschichte ist bemerkenswerterweise der Funktionär Leon Kalin, jener Mann, der am 29. April 2000 das skandalöse Champions-League-Finale zwischen dem FC Barcelona und dem THW Kiel an der Seite seines slowenischen Landsmannes Enes Koris als Schiedsrichter geleitet hatte. Der Verfasser dieser Zeilen war Zeuge im Sportpalast Palau Blaugrana. Es bleiben unvergessene 60 Minuten, vor allem die letzten fünf. Nach dem 28:25-Hinspielsieg und dem 23:23 in der 54. Minute stand Kiel vor den Augen von König Juan Carlos vor seinem ersten großen internationalen Triumph, wurde am Ende aber in Grund und Boden gepfiffen. Schrittfehler bei Tempogegenstößen (Lövgren), Stürmerfouls ohne Körperkontakt - die Slowenen zogen alle bitterbösen Register, ließen Wislander und Co beim finalen 24:29 keine Chance. Am Ende hatten viele "Zebras" Tränen in den Augen, Trainer Noka Serdarusic, der heute selbst in Manipulationsvorwürfe verstrickt ist, verstand die Welt nicht mehr. "Wir hatten schon die Hand am Pokal, aber dann waren höhere Mächte gegen uns." Derweil feixten spanische Kollegen auf der Pressetribüne. Sie hätten es wieder getan, die Barcelona-Offiziellen, ließ man den erstaunten deutschen Kollegen wissen. Dabei rieben einige ihre Daumen auf die Zeigefinger. Aha, Geld im Spiel - Schiedsrichter bestochen. Und das Wort "wieder".

Eine Woche später lüftete Wilfried Lübker, damals im Gespann mit Manfred Bülow Teil eines Weltklasse-Schiedsrichter-Paares, für diese Zeitung längst bekannte Gerüchte aus der internationalen Unparteiischen-Szene. Bestechung schließe er bei Betrachtung der Bilder von Barcelona keineswegs aus, er wisse, so Lübker, was international üblich sei. "Wenn die Schiedsrichter die Hallen mit prall gefüllten Koffern verlassen, sind die Kameras längst ausgeschaltet." Unternommen werde gar nichts nichts, behauptete Lübker schon im Jahr 2000. Weil, wie der Lübecker vermutet, "viele in der EHF unter einer Decke stecken."

Ein Satz, den das aktuelle Geschehen zu bestätigen scheint. Schiedsrichter, die versuchte Bestechungen melden, drohen Sperren, die "Täter" werden gar nicht erst behelligt. Die ehrlichen Worte von Lübker bedeuteten damals das Aus für seine Schiedsrichterkarriere, die altersbedingt zwar ohnehin kurz vor dem Ende stand. "Aber Lust hätten wir schon noch gehabt", erinnert sich Manfred Bülow. Kollege Lübker wurde von der deutschen Schiri-Innung für ein Jahr aus dem Verkehr gezogen ("Nestbeschmutzer"), die angestrebte internationale Laufbahn auf der Funktionärsleiter endete, bevor sie begonnen hatte. Für den Ausschluss Lübkers hätte sich vor allem das jetzt unter Verdacht stehende Schiri-Paar Lemme/Ullrich stark gemacht, weiß Bülow. "Aber auch ich hatte keine Chance mehr, obwohl ich nichts gesagt hatte" so der ehemalige Schiedsrichter, der in Sippenhaft genommen und nach nur einem Einsatz als EHF-Delegierter aussortiert wurde.

Leon Kalin hat es besser angetroffen. Der Slowene, übrigens ein Vertrauter vom skandalumwitterten Weltverbands-Boss Hassan Moustafa, sitzt schon an wichtiger Stelle in der IHF. Beim Wahlkongress des Welthandballverbandes im Juni in Kairo kandidiert Kalin für den Vorsitz der Wettbewerbskommission. Wird er gewählt, schafft er den Sprung in die Exekutive und stiege zu einem mächtigen Mann im Welthandball auf.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 30.03.2009)


(30.03.2009) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite