29.10.2011 | Verein |
Als Baum schließlich erschien, war seine Nervosität offensichtlich. Seine Finger arbeiteten hektisch mit einigen Papieren, immer wieder griff er zur Wasserflasche. Er sei erkältet, müsse Antibiotika nehmen und hätte deshalb einen sehr trockenen Hals. Er bitte diesen Umstand zu entschuldigen. In einer Pause reichte ihm ein Zuschauer Hustenbonbons zu. Die seien nicht vom THW, deshalb könne er sie bedenkenlos annehmen. Nur eine groteske Situation dieser Befragung, die lächerlich zu werden begann, als Axel Goos sich erstmals einmischte.
Der Oberstaatsanwalt hatte offenbar Bedenken, dass die Aussagen des polnischen Unparteiischen nicht in voller Länge übersetzt wurden. Der Dolmetscher hatte sich zuvor bemüht, die Antworten auf den Kern zu verknappen. Außer Goos hatte sich daran niemand gestört. Warum auch, ist Baum doch des Deutschen leidlich mächtig und in der Lage, einzugreifen, falls eine wichtige Passage entfallen oder missverständlich sein sollte.
Was sich bereits zäh angefühlt hatte, wurde nun für alle Beteiligten eine harte Geduldsprobe. Zumal Goos, einmal mehr, nicht seinen besten Tag hatte. Immer wieder fragte er Baum danach, ob er sich noch an die Sitzung der technischen Kommission vor dem Final-Rückspiel erinnern könne. In diesem Gremium werden die Spielabläufe zwischen Schiedsrichtern, den beteiligten Vereinen und dem Ausrichter, der Europäischen Handball-Föderation, besprochen. Es war nicht zu erkennen, welchen Hintergrund seine Fragen hatten. Wollte er herausfinden, ob Baum in diesem Kreis Geld erhalten hat, um das Finale im Sinne des THW Kiel zu entscheiden? Im Beisein von Manfred Werner, dem Vertreter der SG Flensburg-Handewitt? Als Goos ihn fragte, ob Schwenker bei diesem Treffen für den THW am Tisch gesessen hätte, schaute Baum ihn entgeistert an. "Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber fragen Sie ihn doch selbst, er sitzt ja hier."
Zu diesem Zeitpunkt, kurz vor zwölf, hatte er seine Hände längst wieder im Griff. Mit eindeutiger Gestik hatte er, ganz Schiedsrichter-Profi, zuvor immer wieder das Gericht unterbrochen und einen Monolog über die speziellen Verhältnisse auf dem polnischen Wohnungsmarkt gehalten. Baum, der als Uni-Dozent in Warschau arbeitet, sollte eigentlich nur darüber Auskunft geben, ob die beiden Wohnungen, die er besitzt, abbezahlt seien. Und wenn ja, seit wann. Durch einen Filter gepresst ergab sein Vortrag folgende Essenz: Die Wohnungen, eine davon mit "einem kleinen Verdienst" vermietet, seien deutlich vor April 2007 abbezahlt gewesen.
Die Anschuldigungen seien für ihn ein Schock gewesen, sagte Baum, der im Juni 2010 seine Karriere aus Altersgründen beendete. Er hätte seinerzeit das Rückspiel korrekt geleitet, auch seine Entscheidung, den Flensburger Joachim Boldsen nach einem Foul an Christian Zeitz frühzeitig des Feldes zu verweisen, sei richtig gewesen. Das hätte ihm sogar der Betroffene bei einem zufälligen Treffen einige Monate später bestätigt.
"Ich hätte nicht nach Kiel kommen müssen, aber ich habe es getan, um alles zu klären. Es geht um meine Ehre." Er hätte noch nie Bestechungsgelder angenommen, auch vom angeblichen Mittelsmann des THW Kiel, Nenad Volarevic, nicht. Nein, er hätte den Kroaten, der wie Baum über Warschau zum Final-Rückspiel gereist war, auch nicht am Flughafen getroffen. Deutlich wortreicher wusste er von einer Zeit zu berichten, in der Mieter in der polnischen Hauptstadt nur zehn Prozent des Kaufpreises für eine von ihnen bewohnte Immobilie zahlen mussten. Den Rest hätte der Staat übernommen.
(Von Wolf Paarmann und Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2011)
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