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22.11.2011 Verein

Kieler Nachrichten: Wahrheit oder Rache: Löwen war das egal

Zeuge Storm über das Aus für Serdarusic

Aus den Kieler Nachrichten vom 22.11.2011:

Kiel. Der Handball-Prozess hinterlässt auch bei denen Spuren, die gar nicht im Verdacht stehen, das Champions-League-Finale 2007 zu Gunsten des THW Kiel manipuliert zu haben. Das wurde gestern, am zehnten Verhandlungstag, deutlich, als ein sichtlich mitgenommener Thorsten Storm den diesmal gut gefüllten Saal 232 des Kieler Landgerichts betritt.
Der Manager des Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen zählt normalerweise zu jenen in der Branche, die nie um einen flotten Spruch verlegen sind, die sich entspannt auf den großen Bühnen bewegen. Doch als Zeuge zeigt er sein anderes Gesicht. Ein blasses, weiches. Mit leiser Stimme schildert der 47-Jährige, der einst als freier Mitarbeiter in der Marketingabteilung des THW Kiel seine Karriere begann, knapp vier Stunden lang seine Sicht der Dinge. Es wird schnell klar, dass er sich akribisch vorbereitet hat, immer wieder blickt er auf einen Zettel, auf dem er sich die Schlüsseldaten notiert hat. Die Kammer lässt dieses Hilfsmittel zu, schließlich ist es auch für die unmittelbar Beteiligten in diesem verwinkelten Verfahren nicht leicht, den Überblick zu behalten.

Storm streitet ab, sein Wissen um die angebliche Bestechung der polnischen Final-Schiedsrichter dazu benutzt zu haben, einen kurzfristigen Transfer der langfristig an den THW gebundenen Spielern Nikola Karabatic und Vid Kavticnik zu erpressen. Das Ziel der Löwen sei in erster Linie gewesen, Noka Serdarusic, der im Sommer 2008 von den Kielern entlassen worden war, als Trainer zu verpflichten. Er sollte die Schlüsselfigur für die Löwen werden, die mit dem Geld des dänischen Millionärs Jesper Nielsen im Eiltempo eine große Mannschaft aufbauen wollten.

Aber auch für Storm war die Verpflichtung von Serdarusic wichtig, schließlich stand er in seiner zweiten Saison als Geschäftsführer der ambitionierten Löwen unter Erfolgsdruck. Da er federführend für die Vermarktung der 13 000 Zuschauer fassenden SAP-Arena in Mannheim zuständig ist, wäre klar gewesen, dass eine "mittelmäßige Mannschaft" nicht genügen würde. "Die füllt keine Arena."

Die Verpflichtung des Kieler Meistertrainers hatte für ihn aber auch eine persönliche Komponente, schließlich hatte er zu ihm einst ein sehr enges Verhältnis. Die Freundschaft zerbrach, weil Storm in seiner Funktion als Manager der SG Flensburg-Handewitt den Kroaten Blazenko Lackovic verpflichtete, der eigentlich beim THW bereits im Wort stand. Von dem Kieler Interesse an dem Rückraumspieler konnte Storm, so Serdarusic damals, nur gewusst haben, weil er es ihm bei einem Abendessen erzählt hatte. Storm, so der Vorwurf, hätte vertrauliche Informationen ausgenutzt.

"Da es für ihn nur schwarz und weiß gibt, haben wir anschließend drei Jahre nicht mehr miteinander gesprochen", sagt Storm, der im Sommer 2008 über einen "gemeinsamen Freund" Kontakt zu Serdarusic aufnahm. "Wir hatten eine Nicht-Beziehung, und ich wollte einen Neustart." Die Ex-Freunde trafen sich in Hamburg, die Chemie stimmte wieder, das gemeinsame Ziel, der Aufstieg der Löwen, auch. Storm: "Ich habe in diesem Gespräch gemerkt, dass dieser Schritt richtig ist."

Deshalb sei für ihn am 11. Februar 2009 "eine Welt zusammengebrochen". Jener Abend im Haus der Familie Serdarusic in Russee, an den er offenbar noch sehr genaue Erinnerungen hat. So schildert er im Detail die Sitzordnung, in der sich das gastgebende Ehepaar, Jesper Nielsen, der Löwen-Anwalt Christian Wiegert und er sich um einen Tisch gruppiert hatten. Er beschreibt die sogenannte Selbstanzeige von Nenad Volarevic, der im Verdacht steht, sich vor dem Final-Rückspiel mit dem Schiedsrichter Miroslaw Baum in Warschau getroffen zu haben, um ihm dort 45 000 Euro auszuhändigen. Als die Kammer Storm einen Brief der Berliner Anwaltskanzlei vorlegt, bei der Volarevic das Schreiben aufgesetzt haben soll, erkennt er den Briefkopf sofort wieder. Er erinnert sich auch an einen Stempel, eine Unterschrift und daran, dass Volarevic um Strafmilderung bittet. Sinngemäß soll dort gestanden haben, dass Schwenker der Drahtzieher gewesen sei.

Nach der Lektüre des Schreibens, das Mirjana Serdarusic, die Ehefrau von Noka längst verbrannt haben will, sei ihm klar geworden, dass der am 29. Dezember 2008 unterschriebene Drei-Jahres-Vertrag mit Serdarusic aufgelöst werden müsse. "Ich war sehr traurig", sagt Storm. "Und Noka war es auch."

Auf die Frage, für wie glaubhaft er die von Mirjana Serdarusic vorgelegten Dokumente gehalten habe, antwortet Storm, dass dies in seiner damaligen Situation nur von untergeordneter Rolle gewesen sei. Der Gedanke, dass die Löwen in einem Rachefeldzug des Ehepaares Serdarusic benutzt werden sollten, sei ihm auch gekommen. Schließlich hätte Mirjana Serdarusic mit Schwenker ein "klares Feindbild" gehabt. "Aber für unsere Entscheidung, den Vertrag aufzulösen, spielte es keine Rolle, ob uns die Wahrheit erzählt wurde, oder es nur um Rache ging." Schließlich hätten die Gesellschafter der Löwen sich am 4. Februar 2009 in einer Telefonkonferenz, an der auch Storm und Wiegert teilnahmen, darauf verständigt, den Vertrag aufzulösen, falls die Vorwürfe stimmen würden. "Ich hatte keinen Handlungsspielraum. Aber zwischen dem 4. und 11. Februar habe ich gehofft, dass Noka Serdarusic doch noch unser Trainer wird."

Während Storm sich durch die Vernehmung arbeitet, schüttelt Schwenker immer wieder mit dem Kopf, legt die Stirn in Falten, spricht erregt mit seinen Anwälten. Einmal kommentiert er die Aussagen als "Schwachsinn". Ob dem so ist, könnte sich heute ab zehn Uhr klären, wenn Storm auf die Fragen der Verteidigung antworten muss.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.11.2011)


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