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17.12.2011 Verein

Kieler Nachrichten: Handball-Prozess: Schwenker in Not

Fax des THW Kiel an "Dear Nenad" Volarevic gibt neue Rätsel auf

Aus den Kieler Nachrichten vom 17.12.2011:

Kiel. Der 14. Verhandlungstag im Handball-Prozess begann zäh, die meisten Beteiligten im Saal 232 des Kieler Landgerichts kämpften bei der Befragung von Monika Flixeder mit dem Schlaf. Die Aussagen der Justiziarin der Europäische Handball-Förderation (EHF) machten deutlich, dass der Verband wenig Interesse daran gezeigt hat, sich mit dem angeblich manipulierten Champions-League-Finale 2007 zu beschäftigen. Doch dann zog Oberstaatsanwalt Axel Goos am späten Nachmittag ein Blatt Papier aus den Akten, das die Gesichtsfarbe des Angeklagten Uwe Schwenker in ein dunkles Rot veränderte.
Ein Papier, das den Schluss zulässt, die Verbindung zwischen dem THW Kiel und Nenad Volarevic sei weit mehr gewesen, als Schwenker bislang behauptet hat. Der Kroate steht im Verdacht, unmittelbar vor dem Rückspiel am 29. April 2007 einen der polnischen Final-Schiedsrichter in Warschau getroffen zu haben, um ihn mit Bargeld zu bestechen. Alle Beteiligten bestreiten die Vorwürfe. Die 92 000 Euro, die der THW nachweislich an Volarevic überwiesen hat, sollen, so Schwenker, dazu gedient haben, über ihn "ein Scoutingsystem auf dem Balkan aufzubauen".

In dem Papier, das Goos präsentierte, geht es allerdings nicht um Talente. Inhalt des Schreibens sind vielmehr die Namen der vier Schiedsrichter, die die Viertelfinal-Spiele in der Champions-League-Saison 2002/2003 gepfiffen haben. Der Satz ist kurz, auf Englisch, und voller Brisanz: "Dear Nenad, as promised we send you the informations about the referees for the matches between THW Kiel and Prule 67 Ljubljana." Es folgen die Adressen und Telefonnummern der Paare aus der Slowakei und Ungarn, die am 2. und 9. März gepfiffen haben. Im slowenischen Ljubljana spielten die "Zebras" 33:33, das Rückspiel verloren sie überraschend 26:28. Das Schreiben, das eine kroatische Faxnummer und die telefonische Durchwahl des ehemaligen THW-Managers beinhaltet, endet mit "Best regards" und dem für den Namen "Uwe Schwenker" vorgesehenen Freiraum einer Unterschrift.

Weil es sich bei dem Schreiben um eine Vorlage handelt, die Ermittler bei der Durchsuchung der THW-Geschäftsstelle in einem der Computer fanden, ist es nicht unterschrieben. Geschrieben hat es Sabine Holdorf-Schust, die seinerzeit die Geschäftsstelle leitete und nach der Entlassung von Schwenker in die Geschäftsführung aufrückte.

Holdorf-Schust, die gestern ebenfalls als Zeugin vernommen wurde, räumte ein, den Brief, der ihr Kürzel ("hsch") trägt, aufgesetzt zu haben. Sie könne sich aber nicht erinnern, warum sie das gemacht habe. Zuvor hatte Goos in ihrer Vernehmung herausgearbeitet, dass es seinerzeit ihr Alltag gewesen wäre, Schriftsätze im Auftrag von Schwenker zu verfassen. Mit dem sportlichen Bereich hätte sie damals nichts zu tun gehabt, so die 57-Jährige. "Uwe hat immer gesagt, Frauen haben keine Ahnung von Handball."

Der Tag hatte sehr zäh begonnen. Vor Holdorf-Schust saß Monika Flixeder im Zeugenstand. Die 41-jährige Juristen leitet die Rechtsabteilung der EHF, die unter anderem Ausrichter der Champions League ist. An einer Aufklärung der Manipulationsaffäre, das wird schnell deutlich, hatte die EHF wenig Interesse. Matthias Wardeck fand für die zähe Mithilfe einen prominenten Vergleich. "Wir erhalten nur Antworten, wenn wir konkrete Fragen stellen", sagte der Vorsitzende Richter. "Das ist so wie derzeit bei unserem Bundespräsidenten." Während Christian Wulff den Betroffenen gibt, ließ Flixeder sich von der Mauer-Politik ihres Verbandes die gute Laune nicht verderben. Sie lachte oft, hatte aber wenig Erhellendes zu bieten. So musste sie einräumen, im Kellerarchiv vergeblich nach Unterlagen über das Champions-League-Finale zwischen Kiel und dem FC Barcelona im Jahr 2000 gesucht zu haben. Sie hätte lediglich den Spielbericht für das Rückspiel in Spanien finden können, in dem sich Schwenker und der mitangeklagte Noka Serdarusic (damals THW-Trainer) von den Unparteiischen seinerzeit massiv betrogen gefühlt hatten. Alles andere, wie beispielsweise der Bericht des EHF-Beobachters, sei mittlerweile vernichtet worden.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 17.12.2011)


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