Aus den Kieler Nachrichten vom 14.01.2012:
Die Nutzung moderner Medien kann unterhaltsam sein
oder im Fall von Mailboxen mitunter nicht ratsam. Bleiben
wir deshalb bei der unterhaltsamen Form, beispielsweise
dem Besuch der Homepage des THW Kiel. Mancher Autor im
Fan-Forum schließt seinen Diskussionsbeitrag mit einem Bonmot
ab, beispielsweise:
Entweder man ist Teil des Problems oder
man ist Teil der Lösung. Das lässt sich problemlos
auf den 16. Verhandlungstag im Kieler Handball-Prozess übertragen.
Mit seinem am Mittwoch formulierten Beweisantrag, den Unternehmer
Gerhard Lütje als Zeugen vorzuladen, dokumentierte Axel Goos,
seinen Anspruch, Teil der Lösung zu sein, ob die Angeklagten
Uwe Schwenker und
Noka Serdarusic Champions-League-Duelle
manipuliert haben oder nicht. Der Oberstaatsanwalt versucht, auf
der Zielgeraden des Verfahrens Beweise zu finden, die seine Anklage
stützen. Das ist sein gutes Recht.
Seit gestern wissen wir, dass Goos zugleich ein Teil des Problems
zu sein scheint. Für die Verteidigung, die ihm vorwirft, schlampig
und einseitig ermittelt zu haben, ist er das seit Beginn des Prozesses.
Am Mittwoch ließ sich den Worten des umsichtigen Vorsitzenden Richters
Matthias Wardeck entnehmen, was er von den Ermittlungssmethoden des
Chef-Anklägers hält: nicht viel, da verfassungsrechtlich zweifelhaft.
Anlass ist die Durchsuchung der Kanzlei des Berliner Anwalts Björn
Sendke, zu dessen Mandanten auch schon
Serdarusic
zählte. Bei Sendke ist eine Akte beschlagnahmt worden, aus der hervorzugehen
scheint, dass der dem THW eng verbundene Gerhard Lütje schon rund vier
Monate vor der Aufdeckung der Manipulationsaffäre am 1. März 2009 von
Mirjana Serdarusic über die angeblichen unredlichen Machenschaften
informiert wurde. Glaubt man mehreren Zeugen, so trifft auf Frau Serdarusic
ein im "Zebra"-Forum gerne genutztes Zitat von Mark Twain zu:
Man muss die Tatsachen erst kennen, bevor man sie verdrehen kann.
Bezogen auf den Versuch, Gerhard Lütje in den Zeugenstand zu zwingen,
heißt das: Sollte er 2008 ausschließlich von der Trainer-Gattin informiert
worden sein, dann kann man seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung vergessen.
Abgesehen davon stellen sich mehrere rechtliche Fragen: Hat die
Staatsanwaltschaft womöglich die Strafprozessordnung missachtet?
Im Paragraph 53 steht, dass Rechtsanwälte ihr Zeugnis verweigern
dürfen, und in Paragraph 97: Schriftliche Mitteilungen zwischen
Beschuldigten und Personen, die laut Paragraph 52 ein Zeugnisverweigerungsrecht
besitzen, unterliegen nicht der Beschlagnahme. Zumindest für die Verteidigung
ist der Fall klar: Die Staatsanwaltschaft hat ein falsches Spiel betrieben.
Am Mittwoch, zu Beginn des 17. Verhandlungstages, wird Matthias Wardeck
begründen, warum Lütje nicht aussagen muss. Ob die Kammer der Auffassung
ist, der gut vernetzte Kieler könne nichts Erhellendes beisteuern, oder
ob rechtliche Gründe gegen seinen Auftritt sprechen: Zu spüren ist, dass
das Gericht den Manipulationsprozess zügig abschließen will. Am Mittwoch
soll das Plädoyer von Goos erfolgen, am 23. Januar die Stunde der Verteidiger
schlagen, und am 26. oder 27. Januar ist mit dem Urteil zu rechnen. Frei
nach dem im THW-Forum gerne zitierten Humoristen Karl Valentin:
Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.
(von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 14.01.2012)