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24.01.2012 Verein

Kieler Nachrichten: Es riecht nach Freispruch

Aus den Kieler Nachrichten vom 24.01.2012:

Ein Verteidiger sprach mit belegter Stimme, der Staatsanwalt hüstelte häufig, doch von kühler Atmosphäre war gestern im Kieler Landgericht nichts zu verspüren. Im Gegenteil. Die Anwälte der Angeklagten Uwe Schwenker und Noka Serdarusic hielten ihre Plädoyers nüchtern, sachlich und ohne emotionale Attacken, die jemand in den falschen Hals hätte bekommen können.
Kein Stuhl blieb frei in Saal 232. Schlussvorträge verdienen nach Mammut-Verfahren nun mal besondere Beachtung. Doch wer im Endspurt des Handball-Manipulationsprozesses pointierte Zuspitzungen, beispielsweise vom um spontane Reaktionen gewöhnlich nicht verlegenen Michael Gubtiz, erwartet hatte, wurde enttäuscht. Es lag nicht an seinen mit Salbei-Bonbons präparierten Stimmbändern, dass der Kieler Anwalt von Schwenker die leisen Töne bevorzugte. Wenn ein Verteidiger sicher ist, Argumente sprechen für sich, bedarf es weder Lautstärke noch rhetorischer Tricks.

Für Gubitz ist der Fall klar: Es gibt keine Beweise für die Manipulation des Champions-League-Finalrückspiels 2007 durch den THW Kiel, also ist Schwenker freizusprechen. Gubitz begann seinen 54-minütigen Vortrag mit versöhnlichen Worten. Er wolle es nicht allzu kompliziert machen, und außerdem gebe es eine Gemeinsamkeit mit Oberstaatsanwalt Axel Goos, der am vergangenen Mittwoch das Verfahren als denkwürdig bezeichnet hatte. Das, so Gubitz, sehe er auch so, aber dies sei auch schon die einzige Übereinstimmung.

Und dann zählt der ehemalige Triathlet mit Ironman-Erfahrung auf Hawaii die wichtigsten Versäumnisse des Vertreters der Anklage auf. Mit einseitigen Ermittlungen sei ein fragwürdiger Prozess angestrengt worden, frei nach dem Prinzip: "Man muss nur mit genügend Dreck werfen, irgendetwas wird schon hängen bleiben." Die Staatsanwaltschaft sei nicht auf Widersprüche in den Zeugenaussagen eingegangen, sie halte allein aufgrund von Flugdaten des vermeintlichen Geldboten Nenad Volarevic und der THW-Zahlung von 92 000 Euro im Frühjahr 2007 an den Kroaten die Manipulation für erfüllt. Gubitz kontert: "Dass Herr Volarevic nach Warschau geflogen ist, ist ein Fakt. Doch ob er dort den polnischen Schiedsrichtern Geld überbrachte, dafür fehlt der Beweis. Dieser zentrale Punkt der Anklage ist nicht ansatzweise geklärt."

Schwenkers zweiter Verteidiger, der Bochumer Professor Gereon Wolters, erläutert anschließend präzise, dass für eine Manipulation des Finales, selbst wenn man sie für gegeben erachte, der Paragraf 299 StGB "Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr" gar nicht greife. Man könnte es auch so formulieren: Als das Strafgesetzbuch geschrieben wurde, hat niemand an Sportbetrug gedacht. Da für Wolters nach der Beweisaufnahme feststeht, dass das Finale "ganz sicher" sauber geleitet wurde, sei eine juristische Einordnung im Grunde überflüssig, denn: "Was nicht stattgefunden hat, ist rechtlich nicht zu würdigen." Aus dieser zu Beginn geäußerten Logik folgt am Ende das Fazit: "Ich beantrage Freispruch."

Wenig überraschend kommt Marc Langrock zum selben Ergebnis. Der Verteidiger des früheren THW-Trainers Noka Serdarusic führt an, dass Volarevic gegenüber kroatischen Ermittlungsbehörden erläutert habe, wofür er die vom THW für Scoutingdienste erhaltenen 92 000 Euro, die er versteuerte, wirklich verwandte. Demzufolge würden sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in Luft auflösen.

Das Beste hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Für den Fall, dass die Kammer seinen Mandanten verurteilen sollte, stellte Langrock einen Hilfsbeweisantrag. Inhalt: Sechs Handballprofis, darunter die Hamburger Blazenko Lackovic und Domagoj Duvnjak, könnten bezeugen, dass Volarevic sie einst nach Kiel vermitteln wollte. Der Mann aus Zagreb sei folglich tatsächlich als Scout für den THW tätig gewesen.

Am Donnerstag wird die Kammer ab 9 Uhr das Urteil verkünden. Axel Goos hat schon angekündigt, im Falle eines Freispruchs eine Revision prüfen zu wollen. Die Verteidigung nahm das R-Wort gestern nicht in den Mund. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass dies vor einer Urteilsverkündigung in einem Strafprozess als unhöflich gilt. Michael Gubitz wollte noch nicht einmal eine Erwartung formulieren. Uwe Schwenker habe jetzt ein dreijähriges Verfahren hinter sich, da komme es auf drei Tage auch nicht mehr an.

(von Gerhard Müller und Esther Alves, aus den Kieler Nachrichten vom 24.01.2012)


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