Aus den Kieler Nachrichten vom 27.01.2012:
Mit dem Sportrechtler Martin Nolte sprach unser
Redakteur Gerhard Müller.
- Kieler Nachrichten:
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Vor Prozessbeginn haben Sie in einem Interview mit den Kieler
Nachrichten gesagt, Sie hätten große Zweifel daran, dass es der
Staatsanwaltschaft gelingen würde, die Angeklagten wegen
"Sportbetrugs" nach § 263 Strafgesetzbuch zu verurteilen.
Das Urteil dürfte Sie nicht überraschen.
- Martin Nolte:
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Das Urteil überrascht mich überhaupt nicht. Die Staatsanwaltschaft
erhob einst Anklage wegen "Sportbetrugs" nach § 263 StGB.
Sie bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
zum Sportwettenbetrug (Fall "Hoyzer"). Im Kieler Handball-Prozess
ging es nicht um Wettbetrug, sondern um die Annahme einer
Schiedsrichterbestechung.
- Kieler Nachrichten:
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Da Schiedsrichterbestechungen
von § 299 StGB ("Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen
Verkehr") nicht erfasst werden, hat Serdarusic'
Verteidiger Marc Langrock angeregt, der Gesetzgeber sollte darüber
nachdenken, diese zu einem Straftatbestand zu machen.
Was halten Sie davon?
- Martin Nolte:
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Es befremdet mich, dass in einer Gerichtsverhandlung gesetzespolitische
Anregungen - egal von welcher Seite - getätigt werden. In einem
Strafverfahren, das mit enormen Belastungen des Angeklagten verbunden
ist, darf es aus rechtsstaatlichen Gründen nur darum gehen, ob der
Angeklagte einen existenten Straftatbestand verwirklicht hat oder nicht
- und nicht darum, eine etwaige Strafbarkeitslücke beim "Sportbetrug"
aufzuzeigen und für dessen Einführung zu plädieren. Im Übrigen halte ich
nichts von einem speziellen Straftatbestand des "Sportbetrugs".
Der Schutz des sportlichen Wettbewerbs ist eine Sache
des Sports, nicht des Staates.
- Kieler Nachrichten:
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Glauben Sie wirklich, die Sportgerichtsbarkeit wäre in der Lage,
ein solch schwerwiegendes Vergehen intensiv aufzuklären? Nicht nur
Oberstaatsanwalt Axel Goos äußerte Zweifel, dass einige Zeugen im
Kieler Landgericht an Aufklärung interessiert waren. Womöglich
sollte der Handballsport keinen Schaden nehmen.
- Martin Nolte:
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Ich denke, dass echte Sportschiedsgerichtsbarkeit in der Lage ist,
schnell, effizient und sachnah Entscheidungen mit weltweiter Geltung
zu treffen. Denken Sie an Dopingsperren von Sportlern. Ein staatliches
Gerichtsverfahren kann dieses so nicht leisten. Wie lange dauerte
der Kieler Handball-Prozess und wozu hat er geführt?
- Kieler Nachrichten:
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Sie wohnen und arbeiten in der Sportmetropole Köln. Wurde
dieser Prozess außerhalb von Schleswig-Holstein am Ende
noch wahrgenommen?
- Martin Nolte:
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Ja, sehr intensiv: Aus rechtlichen Gründen, weil er den Unterschied
markiert zwischen Wettbetrügereien wie im Falle "Hoyzer" und einer
vermeintlichen Schiedsrichterbestechung ohne Wettbezug. Aus
sportpolitischen Gründen, weil eine Schiedsrichterbestechung die
Integrität des sportlichen Wettbewerbs gefährdet.
- Kieler Nachrichten:
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Der Freispruch erfolgte für alle Vorwürfe, aber die Kammer äußerte
zugleich Zweifel an der Unschuld der Angeklagten. Kann es sich der
deutsche Handball erlauben, Schwenker und
Serdarusic wieder in verantwortlichen Funktionen
zu beschäftigen?
- Martin Nolte:
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Die Aufgabe eines Strafverfahrens besteht nicht darin, die Unschuld
des Angeklagten nachzuweisen, sondern dessen Schuld. Darin besteht
ein elementarer Unterschied. Die Freisprüche für Schwenker
und Serdarusic hätten nicht deutlicher
sein können. Der deutsche Handball dürfte sich nicht erlauben können, auf
die Sachkompetenz der beiden zu verzichten.
(Das Gespräch führte Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 27.01.2012)