27.01.2012 | Verein |
Diese und rund 40 Zuschauer - die ersten froren schon um 6.30 Uhr vor dem Eingang, um sich eine Karte zu sichern - vernahmen eine Urteilsverkündung, die an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig ließ. "Die Kammer ist nicht von der Schuld der beiden Angeklagten überzeugt", sagte Matthias Wardeck und erteilte nahezu im selben Atemzug dem laut Anklage manipulierten Champions-League-Finale des THW 2007 gegen die SG Flensburg-Handewitt die Absolution: "Das Spiel ist sauber geleitet worden. Auf den THW werden keine Schadenersatzansprüche aus Flensburg zukommen."
Der zukünftige Richter am Oberlandesgericht Schleswig blieb anschließend zunächst seinem Anspruch treu, ein Prozess sollte atmosphärisch entspannt verlaufen. Also lobte er Oberstaatsanwalt Axel Goos für dessen zügige Ermittlungen und die Bereitschaft, das Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Gleiches gelte für die Verteidigung. "Wir hätten leicht und locker noch ein Jahr zusammensitzen können", meinte Wardeck. Allein zum "Mallorca-Komplex", dem alkoholreichen Abend am 30. Juli 2008 auf der Finca von Andreas Rudolph, dem Präsidenten des aktuellen deutschen Meisters HSV Hamburg, hätten, so der Richter, sicherlich der eine oder andere Zeuge gerne hier gesessen. Außerdem sei es grundsätzlich richtig gewesen, das Verfahren zu eröffnen: "Hätte die Kammer in der ersten Besetzung gesagt, an den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft sei nichts dran, so wären Vorwürfe aufgekommen, der Kieler Klüngel habe die Aufklärung verhindert."
Gänzlich erfolgreich waren die Aufklärer allerdings nur, was den Komplex "Finale 2007" anbelangt. Die 5. Große Strafkammer sah es als erwiesen an, dass das zweite Endspiel anstandslos von den polnischen Schiedsrichtern Miroslaw Baum und Marek Goralczyk geleitet worden war. Das hätten die Zeugenaussagen von Experten ergeben. Außerdem seien die beiden Unparteiischen laut Wardeck "absolut glaubwürdig" gewesen. Wer bereit sei, die Wahrheit zu sagen, der sitze entspannt auf dem Zeugenstuhl. Dies sei bei Baum und Goralczyk der Fall gewesen. Thema erledigt, Straftatbestand laut Paragraf 299 StGB "Bestechung im geschäftlichen Verkehr" nicht erfüllt.
Differenzierter beurteilte die Kammer den Vorwurf des Betrugs wegen der Zahlungen in Höhe von 92 000 Euro an Nenad Volarevic, in dem die Staatsanwaltschaft den Geldboten an die beiden Schiedsrichter sah. Dass Schwenker dem Kroaten kurz vor und nach dem zweiten Endspiel diesen Betrag gestaffelt überwies, ist unstrittig. Das Gericht sah jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Freund von Serdarusic davon 45 000 Euro verwendete, um die beiden Polen THW-freundlich pfeifen zu lassen. Überzeugend fanden die drei Berufsrichter und zwei Schöffen aber auch nicht, was Schwenker im November 2009 der Staatsanwaltschaft über den Sinn der 92 000 Euro (Transfer Igor Anic, Aufbau eines Scouting-Systems auf dem Balkan) erklärt hatte.
Blieb schließlich noch der Vorwurf der Untreue zuungunsten des THW wegen der beiden Darlehen in Höhe von 20 000 und 40 000 Euro, die Schwenker 2008 Noka Serdarusic gewährte, um das bereits zerrüttete Verhältnis zu retten. Erkenntnis der Kammer: Es gab weder Vorsatz noch Missbrauch.
Wardeck war damit noch nicht am Ende. Der Europäischen Handball-Föderation bescheinigte er wenig Interesse an Aufklärung, Trainer-Gattin Mirjana Serdarusic das Scheitern ihres Rachefeldzuges, und nach dem anfänglichen Lob für Axel Goos folgte nun der Tadel für den Oberstaatsanwalt. Diesem müsse er - leider - fehlende Objektivität vorwerfen, die Verpflichtung, Be- und Entlastendes zu berücksichtigen, sei der Kammer zu kurz gekommen. Goos wollte sich hinterher dazu nicht äußern, kündigte stattdessen an, zu prüfen, ob er innerhalb der Frist von sieben Tagen Revision einlegen werde. Während Serdarusic' Verteidiger Marc Langrock das Urteil "sehr zufrieden" aufnahm und Schwenkers Anwalt Michael Gubitz von "einem Freispruch erster Klasse" sprach, wollte Goos sich diesem Klassendenken nicht anschließen: "Ein Freispruch ist ein Freispruch."
(von Esther Alves und Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 27.01.2012)
Aus den Kieler Nachrichten vom 27.01.2012:
Akten-Dschungel: Die Verfahrensbeteiligten mussten sich durch rund 140 Leitzordner wühlen.
Wortbeiträge: Es wurden 17 Zeugen vernommen. Zwei reisten aus Polen an, je einer aus Österreich und Spanien.
Presse: Es waren 23 Pressevertreter akkreditiert. Am Tag des Urteils wirbelten acht Kamerateams vor dem Saal.
Roben: Richter und Anwälte müssen ihre Roben selbst waschen, Zahl der Waschgänge unbekannt.
Kosten: Die Verfahrenskosten stehen noch nicht fest. Teuer sind Anwälte, einen Pflichtanteil muss nun der Steuerzahler übernehmen. Auch Reisekosten und Verdienstausfall der Zeugen sind nicht unerheblich.
Facebook: Die kroatische Facebook-Seite "Alle, die ihre Hand dafür ins Feuer legen, dass Serdarusic keine Spiele manipuliert hat" hatte bis zum Urteil 19 Mitglieder.
(von Esther Alves und Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 27.01.2012)
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