Aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2012:
Der Bahn-Slogan "Alle reden vom Wetter, wir nicht",
stammt, man glaubt es kaum, aus einer Werbekampagne
von 1966. Der Spruch ist längst ein Klassiker, auch
wenn er nicht immer die Realität widerspiegelte, und
er passt zum Geschehen während der letzten Tage in
Kiel. Mochte am Donnerstag ein scharfer Wind durch die
Holstenstraße fegen oder gestern der erste echte Schnee
dieses Winters fallen - vom Wetter redeten an der Förde
die Wenigsten, den meisten Gesprächsstoff lieferten
Karten. Karten, die am Mittwoch zum Vorverkaufsstart
der KSV Holstein für den Pokal-Hit gegen Borussia
Dortmund für Stau vor Supermärkten sorgten und
schließlich für angestauten Ärger bei denjenigen, die
trotz stundenlangen Wartens leer ausgingen. Und dann
gab es noch die Frage, ob die Karten für
Uwe Schwenker beim THW Kiel
nach seinem Freispruch neu gemischt werden.
Der Unmut der Fußball-Fans verschaffte sich ein
Ventil. Bei KN-Online ließen bis gestern Abend 163
Kommentatoren mehr oder weniger Dampf ab. Es gab Autoren
wie "nordmarksoccer", die den Leser schmunzeln ließen
("Ich wusste gar nicht, dass Holstein so viele Fans hat.
Es ist wie an Weihnachten in der Kirche") oder "roller",
der schimpfte: "Das ganze Dilemma ist eine Folge der
dilettantischen Organisation und Kommunikation der dafür
verantwortlichen Leute bei Holstein." Viel Feind, viel Ehr' -
darauf hätte KSV-Geschäftsführer
Wolfgang Schwenke
gerne verzichtet, zumal er zu Unrecht am Pranger stand.
Die Informationen waren durchaus geflossen, wenn auch
vielleicht etwas spärlich, und außerdem mussten sich die
"Störche" bezüglich des teilweise heftig kritisierten
Online-Verkaufs an bestehende Verträge halten. Im Nachhinein,
das gilt auch für diesen Fall, ist man in der Regel schlauer.
Beim nächsten Mal sollten vielleicht nicht fünf Karten
pro Käufer ausgegeben werden, auch, um den Schwarzmarkt
nicht zu beliefern. Bis zum nächsten Mal bleibt
Schwenke reichlich Zeit, aus
dieser Erfahrung die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die KSV
ist im Landespokal ausgeschieden und wird frühestens im
Sommer 2013 auf die große DFB-Bühne zurückkehren.
Rückkehr oder nicht - darüber diskutieren auf KN-Online
auch die Fans des THW intensiv. Soll der am Donnerstag
freigesprochene Uwe Schwenker bei
den "Zebras" wieder eine Chance bekommen? Ein eindeutiges
Meinungsbild gibt es nicht, nur im Aufsichtsrat des
deutschen Handball-Rekordmeisters herrscht Klarheit.
Das Urteil lautet: Für den ehemaligen Manager bleibt die
Tür zu. Diese Entscheidung ist keine Überraschung,
da vom Vorsitzenden dieses Gremiums nichts anders zu
erwarten war. Klaus-Hinrich Vater hatte beim Jahresempfang
der Kieler Nachrichten am 24. November ein Plädoyer für
den "ehrbaren Kaufmann" gehalten. Er musste
Schwenker nicht erwähnen,
es war auch so klar, dass ein Geschäftsführer, der
erwiesenermaßen salopp mit Buchungen umgeht, nicht ins
Anforderungsprofil des IHK-Präsidenten passt.
Interessant sind in diesem Zusammenhang dennoch
drei Merkwürdigkeiten. Erstens: Der THW hatte es
mit seiner Pressekonferenz nur dreieinhalb Stunden
nach dem Prozessende so eilig, dass noch nicht einmal
alle Medienhäuser dieser Stadt eingeladen werden konnten.
Das wirkt wie Offensivverteidigung. Zweitens: Wir weigern
uns zu glauben, der Aufsichtsrat habe ein Problem mit dem
Grundrecht der Meinungsfreiheit, aber Vaters Bitte an
die Fans, die Entscheidung zu akzeptieren, klang, als
sollten die nach dem Freispruch wieder aufflammenden
Diskussionen pro oder kontra Uwe Schwenker
schnellstmöglich abgeblockt werden. Und drittens:
Daran, dass Vater das hohe Lied von den Werten
anstimmte, für die der Traditionsverein THW stehe, ist
nichts zu bemängeln. Doch wie verträgt sich dieser moralische
Anspruch mit den Werten eines Rechtsstaats?
Gilt ein freigesprochener Angeklagter etwa nicht als
unbescholtener Bürger? Es hätte sicherlich elegantere
Möglichkeiten der Mitteilung gegeben, dass
Schwenker, dem bereits erste
Anfragen aus der Bundesliga vorliegen, bei dem Verein, der
ihm viel zu verdanken hat, schlechte Karten besitzt.
(von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2012)